Prisma
Versuchen leicht nach. Der in Notfällen manuell zu bedienende Auslaß war etwas komplizierter, doch am Ende gab auch der seinen Bemühungen nach.
Die Verriegelung war offen. Jetzt brauchte er den Handgriff nur noch um hundertachtzig Grad zu drehen und zu drücken. Er tat es, und sosehr er sich auch fürchtete, wenn er nur daran dachte, die Luke zu öffnen und sich anzuglos der Außenwelt auszusetzen, so fürchtete er noch mehr, dass die Luke sich nicht öffnen ließ.
Er drückte dagegen. Der einzige Vorteil, den er gegenüber einem frisch geschlüpften Küken hatte, das sein Ei verließ, bestand darin, dass er wusste, in welche Welt er da hineingeboren wurde.
Als ob das wirklich ein so großer Vorteil war… Im Augenblick hätte er etwas mehr Unkenntnis über seinen Aufenthaltsort als viel tröstlicher empfunden.
6
ZWEI DINGE ÜBERFIELEN IHN GERADEZU, als er herauskam: die überwältigende Strahlkraft des Tageslichts, das von Millionen von Silikatgebilden reflektiert wurde, sowie ein seltsamer Geruch, der ihn reflexartig scharf einatmen ließ. Seltsam, aber nicht übel, es war der Geruch von frischer Luft. Die erste frische Luft, die seine Lungen aufnahmen, seit er Samstatt verlassen hatte. Sie war verblüffend anders als die Anzugluft, so scharf und durchdringend auf ihre Art und Weise wie das Licht.
Die Luft bereitete ihm keine Probleme, was ihm gestattete, sich auf das Problem des Sehens zu konzentrieren. Um überhaupt etwas zu sehen, musste er blinzeln, und trotzdem rannen ihm die Tränen aus den gepeinigten Augen. Er brauchte irgendeinen Schutz, wenn er es schaffen wollte, sich mehr als hundert Meter von seinem Anzug zu entfernen.
Nachdem er wieder hineingeklettert war, kroch er hoch zum Visor und suchte nach dessen Verriegelung. Es gab keine. Der Visor war an Ort und Stelle eingeschweißt und konnte ohne die technischen Hilfen einer voll ausgerüsteten Werkstatt nicht entfernt werden. So würde er also irgend etwas improvisieren müssen.
Die Nahrungsmittelkonzentrate waren in dicke Plastikhaut verpackt. Er riss eines der Pakete auf und untersuchte das Material, als ihm einfiel, dass er kein einziges Werkzeug zur Verfügung hatte; nicht einmal ein Taschenmesser. Alles war in den MFW eingebaut und genauso perfekt gesichert worden wie der photochromatische Visor.
Ein weiterer Ausflug nach draußen und eine weitere Erkundung, seiner direkten Umgebung gaben ihm die Gewissheit, dass ihm keine direkte Gefahr durch einen Angriff kristalliner Karnivoren drohte.
Wie ein Baby weinend, suchte er den Rand des Anzugs ab, bis er fand, was er brauchte: ein Büschel Blasengras, das beim Umkippen des Anzugs zerdrückt worden war. Eine gekrümmte Kante schien scharf genug zu sein.
Das Plastikmaterial ließ sich viel leichter schneiden als erwartet. Als er seine Arbeit beendet hatte, besaß er einen Streifen von fünf Zentimetern Breite und dreißig Zentimetern Länge. Diesen schlang er sich um den Kopf und verknotete ihn hinten. Er hoffte nur, dass er damit nicht würde rennen müssen.
Als er das nächste Mal den Kopf wieder hinaus ins Licht schob und vorsichtig die Augen öffnete, stellte er fest, dass er ohne Schmerzen sehen konnte, wenngleich auch nicht allzu scharf. Sein erster Versuch, etwas zu bergen und sich zunutze zu machen, hatte sich als weitestgehend erfolgreich erwiesen. Er kroch in den Anzug zurück, um sich umzuschauen, was er sonst noch ausschlachten konnte. Besonders ermutigend war es nicht.
Sein Freizeitdienstanzug, den er während des Rückfluges hatte tragen wollen, wurde zu einem primitiven Rucksack mit verknoteten Beinen, die dann zusammengebunden wurden, sowie dem Gürtel als Leibgurt. Viel könnte der Rucksack nicht aufnehmen, aber bisher hatte er auch nicht viel gefunden, das sich mitzunehmen lohnte.
Seine Fußbekleidung machte ihm mehr Sorgen als alles übrige. Wenn die Unterwäsche den Dienst quittierte, würde er unter Sonnenbrand leiden, aber die leichten Schuhe mussten halten, sonst würden die Füße in Streifen geschnitten. Erneut war er dankbar für die langen Märsche, die er zu Hause absolviert hatte. Wenigstens waren seine Fußsohlen zäher als die des durchschnittlichen Schreibtischhockers.
Er verbrachte einen vergeblichen halben Tag mit dem Versuch, an die restlichen Vorräte heranzukommen, die in den Nahrungsmittelspendern steckten. Ohne das richtige Werkzeug waren seine Bemühungen zum Scheitern verurteilt, aber das hielt ihn nicht davon ab, die Konstrukteure des Anzugs
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