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Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen

Titel: Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Unrat vernahm Musik. Die Arbeiter verschwanden im Flur, der eine sang mit. Unrat bemerkte im Eingang einen bunten Zettel und las ihn. Er zeigte eine »Abendunterhaltung« an. Als Unrat in der Mitte war, stieß er auf etwas, das ihm Keuchen und einen Schweißausbruch verursachte, und fing, in der Furcht und der Hoffnung, sich geirrt zu haben, von vorn an. Auf einmal riß er sich los und stürzte sich in das Haus, wie in einen Abgrund.

IV
    Die »Diele« war ungeheuer breit und lang, die ehrliche Diele eines alten Bürgerhauses, worin nun »Nebendinge« getrieben wurden. Links kam aus einer halboffenen Tür Töpferasseln und ein Feuerschein. Über dem Eingang rechts stand »Saal«; und dahinter war ein dumpfer Wirrwarr von Lauten, woraus manchmal ein sehr schriller hervorstach. Unrat zauderte, ehe er die Klinke drückte; er spürte darin eine Handlung, schwer von Folgen … Ein sehr dicker, völlig unbehaarter kleiner Mann, der Bier trug, kam ihm entgegen. Er hielt ihn an.
    »Verzeihen Sie«, stammelte er, »wäre die Künstlerin Fröhlich wohl zu sprechen?«
    »Was wollen Sie mit die denn sprechen?« fragte der Mann. »Die spricht jetzt nich, die singt. Hören Sie man mal zu.«
    »Sie sind wohl der Herr Wirt zum Blauen Engel? Nun, das ist wahrlich recht brav. Ich bin nämlich der Professor Raat vom hiesigen Gymnasium und komme wegen eines Schülers, der hier zu finden sein soll. Können Sie mir vielleicht sagen, wo er ist?«
    »Tjä, Herr Professor, dann gehn Sie man gleich ’n bischen in das Hinterzimmer zu die Künstlers, da sitzen die schungen Herrn jä immer ein.«
    »Sehen Sie wohl«, sagte Unrat strafend, »das dachte ich mir. Sie müssen zugeben, Mann, daß das nicht in der Ordnung ist.«
    »Tjä« – und der Wirt zog die Brauen hoch –, »mich is das man puttegal, wer für die Mädchen das Abendbrot bezahlt. Die schungen Herrn haben noch eigens Wein bestellt, mehr kann unsereiner warraffig nich verlangen. Wenn ich meine Kunden vorn Kopp stoßen will, denn muß ich jä woll was hintenvor kriegen.«
    Unrat lenkte ein.
    »Drum denn, mag’s gut sein. Aber gehen Sie jetzt nunmehr hübsch hinein, Mann, und holen Sie mir den Burschen heraus.«
    »Deubel, Herr, gehn Sie selber!«
    Aber Unrats Abenteuermut war dahin, er wünschte, er hätte den Aufenthalt der Künstlerin Fröhlich nie entdeckt.
    »Muß ich denn da durch den Saal?« fragte er mit Bangen.
    »Tjä, das is woll nich anders, un denn in die Stube da achter, wo hier das Fenster von zu sehn is mit die rote Gardine vor.«
    Er ging einige Schritte mit Unrat gegen den Hintergrund der Diele und zeigte ihm eine ziemlich große, von innen rot verhängte Scheibe. Unrat wollte hindurchspähen; inzwischen kehrte der Wirt mit seinem Bier an die Saaltür zurück und öffnete sie. Unrat eilte herbei, mit ausgestreckten Armen; er bat, mit dem Ausdruck der Not.
    »Lieber Mann, so holen Sie mir doch den Schüler heraus!«
    Der Wirt, schon drinnen, wendete sich unwirsch um.
    »Welcher soll es überhaupts sein. Da sitzen jä drei auf einen Hümpel … Oll Dösbattel«, setzte er hinzu und ließ Unrat stehen.
    Drei? wollte Unrat fragen; aber er befand sich nun auch schon im Saal, betäubt vom Lärm, blind von dem wütend heißen Dampf, der seine Brillengläser beschlug.
    »Tür zu, hier zucht es!« hörte er neben sich rufen. Er tappte erschreckt nach der Klinke, traf sie nicht und hörte, wie man lachte.
    »Hei speelt Blindekoh«, sagte dieselbe Stimme.
    Unrat nahm die Brille ab; er fand die Tür schon geschlossen, sah sich gefangen und äugte ratlos umher.
    »O Minsch, Laurenz, dat is jä de schnakige Kierl von hüt namiddag. Weitst nich miehr, hei wüll den Heuerbaas upptreggen.«
    Unrat verstand nicht, er fühlte nur den Aufruhr um sich und gegen sich. Wie schon alles über ihm zusammenschlug, entdeckte er am Tisch gleich neben sich einen freien Stuhl; er brauchte sich nur zu setzen. Er lüftete den Hut und fragte: »Sie erlauben vielleicht?«
    Eine Weile wartete er auf die Antwort, dann ließ er sich nieder. Sogleich fühlte er sich in der Menge versunken, seiner drückenden Ausnahmestellung enthoben. Niemand achtete im Augenblick auf ihn. Die Musik war wieder losgegangen; seine Nachbarn sangen mit. Unrat putzte seine Brillengläser und trachtete, sich zurechtzufinden. Durch den Qualm der Pfeifen, der Leiber und der Groggläser sah er zahllose Köpfe, die alle die gleiche dumpfe Seligkeit besessen hielt, hin und her schwanken, wie die Musik es wollte. Sie waren von

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