Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen
hatte.
»Ich habe die größte Sympathie für Ihren Gemahl«, setzte Lohmann mit Lächeln hinzu und vervollständigte dadurch die Verblüffung der Künstlerin Fröhlich.
»Ihre Häuslichkeit wird wirklich überall gerühmt«, sagte er darauf.
»Naja, wir sind nämlich ganz himmlisch eingerichtet. Und auch sonst –«
Sie belebte sich von Ehrgeiz.
»Für unsere Gäste is uns nischt zu viel. Die Leute stehn manchmal kopp bei uns, Sie würden lachen. Ach, wenn
Sie
kämen,
Ihnen
zu Ehren sing ich überhaupt das ›Affenweib‹, das tu ich sonst nich, weil es doch ’n bißchen zu sehr rausfällt.«
»Gnädige Frau sind unwiderstehlich.«
»Sie wollen woll wieder ulken?«
»Sie überschätzen mich. Das Scherzen ist mir vergangen, als ich Sie wiedergesehen habe. Gnädige Frau müssen ja wissen, daß Sie das einzige sind, was hier am Orte in Betracht kommt.«
»Na und?« machte sie befriedigt, aber ohne sich zu wundern.
»Allein schon Ihr Anzug. Das resedagrüne Tuchkleid ist selbstverständlich durchaus auf der Höhe. Den schwarzen Hut haben Sie sehr mit Recht dazu gewählt. Wenn ich einen einzigen Einwand vorbringen darf: die Stola aus point-lacé wird dies Jahr nicht mehr getragen.«
»Ach nee.«
Sie rückte näher.
»Wissen Sie das auch sicher? Denn hat der Ekel mich doch mit angeschmiert. Ein Glück, daß sie nich bezahlt is.«
Sie errötete; und rasch: »Bezahlen will ich sie meinswegen. Aber tragen, nee. Heut zuletzt, verlassen Sie sich drauf.«
Sie war glücklich, ihm recht geben, sich ihm unterwerfen zu können. Seine Beschlagenheit in betreff Unrats erhöhte ihre Achtung vor Lohmann bis zur Fassungslosigkeit. Nun wußte er auch noch in der Mode Bescheid. Er redete wieder so fein: »Was Sie, gnädige Frau, diesen Kleinstädtern geworden sein müssen! Eine Herrscherin über Gut und Blut, eine angebetete Verderberin. Eine Semiramis, was weiß ich. Alles stürzt sich, von Taumel gepackt, ungebeten in den Abgrund, nicht wahr?« Und da sie sichtlich zu weit zurückblieb: »Ich meine, die Männer lassen sich nicht lange bitten, und Sie haben von ihnen mehr, als Sie brauchen können, von allen ohne Ausnahme, wenn ich mich nicht irre, gnädige Frau.«
»Nu übertreiben Sie aber bedeutend. Daß ich hier Glück habe und ziemlich viel geliebt werde, na ja.«
Sie trank erst; das mußte er wissen.
»Aber wie Sie sich einbilden, daß ich hier losgehn soll – nee … Glauben Sie man nich«, und sie sah ihm in die Augen, »es geht jedermann so gut, daß er mit mir alleine bei Schokolade und Kuchen sitzen darf.«
»Aber ich darf das? Dann bin wohl ich jetzt daran?«
Er legte den Kopf zurück und bekam Falten. Sie konnte, betreten, nur noch auf seine niederhängenden Lider blicken.
»Aber«, fuhr er fort, »ich sollte bei Ihnen, wenn ich mich recht erinnere, der Letzte sein? Haben Sie mir das seinerzeit nicht des öftern in Aussicht gestellt, gnädige Frau? Dann sind also –«, und er öffnete ganz unverschämt die Augen, »alle andern bereits abgemacht?«
Sie war nicht gekränkt, nur gequält.
»Ach Mumpitz, Sie haben ganz falsche Begriffe, die Leute quasseln. Zum Beispiel, mit Breetpoot. Den soll ich weiß Gott wie ausgelutscht haben. Jetzt heißt es, er hat auch noch dem Ertzum sein Geld – ach Gott.«
Sie merkte zu spät, was sie gesagt hatte, und sah erschrocken in ihre Tasse.
»Das ist allerdings das Schlimmste«, versetzte Lohmann hart und düster. Er wandte sich halb weg, und es entstand Schweigen.
Die Künstlerin Fröhlich wagte endlich schüchtern zu bedenken zu geben: »Ich bin es doch nich alleine gewesen. Wenn Sie wüßten, wie der gebettelt hat. Wie ’n Kind, sag ich Ihnen. Die olle Zahnlücke. Der ganze Kerl is
eine
Zahnlücke. Sie werden es nich glauben, aber durchgehn wollt er mit mir. Der mit seiner Zuckerkrankheit, danke.«
Lohmann bedauerte es schon, eine moralische Anwandlung gehabt zu haben, bei einem so unterhaltenden Theater. Er sagte darum: »Ihre Soireen möchte ich mir tatsächlich einmal ansehen.«
»Also Sie sind eingeladen!« sagte sie rasch und freudig. »Kommen Sie man, ich rechne bestimmtest drauf. So nu muß ich aber weiter, bleiben Sie man sitzen. Ach Gott nee!«
Sie wandte sich klagend hin und her, faltete die Hände.
»Es geht ja nich, weil Unrat gesagt hat, nu sind wir komplett, un neue will er nich. Das vorige Mal hat er mir schon Krach gemacht. Darum, Sie verstehn –«
»Vollkommen, gnädige Frau.«
»I wo, markieren Sie nu man nich gleich die
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