Projekt Ikarus 01 - Schatten und Licht
wo sie ist.«
Ein Blitz zuckte durch die Finsternis – eine elektrische Entladung – und schoss an Jet vorbei. Der Umriss von Night leuchtete auf. Der Blitz prallte ab wie von einem Schild.
»Tja«, sagte Night, und Jet konnte das Grinsen in seiner Stimme hören, spürte, wie der Wahnsinn aus ihm herausströmte und sich in schwarzen Schattenflecken auf seinem Körper ausbreitete, »das war das Dümmste, was du tun konntest.«
KAPITEL 62
IRIDIUM UND JET
Ich habe selbst gesehen, wie Helden gegen Schurken kämpften, sowohl außermenschliche als auch menschliche. Und ich muss zugeben, es ist immer wieder berauschend zu beobachten, wie diese kleinen Götter ihre Kräfte spielen lassen.
Lynda Kidder, »Origins – Schlusskapitel« New Chicago Tribüne, 18. Juni 2112
IRIDIUM
Iridium war fest an eine riesige Maschine geschnallt. Sie konnte nichts tun außer zusehen. Es war genau wie damals. Sie fühlte sich wieder zurückversetzt in die Wohnung ihrer Kindheit. Ein Held von Corp trat durch die Tür und nahm ihr alles.
Aber Night war kein Held, jedenfalls nicht mehr.
Taser stolperte rückwärts aus der kleinen Kammer. Night folgte ihm. Er hatte seine Arme weit ausgebreitet, um eine Schattenwelle auszusenden. Sie rollte über Taser hinweg wie eine Springflut. Er ging in die Knie und schnappte nach Luft. Night stieß ihn vollends zu Boden.
»Unterwirf dich«, sagte er. »Bettle um Gnade.«
Taser versuchte, sich zu wehren. Er kämpfte länger gegen den Schatten an, als Iridium es jemals gekonnt hätte. Doch bald erschauerte er und blieb reglos liegen.
»He!«, schrie Iridium, »Sie völlig verrückter Möchtegern-Gott! Sie glauben wohl wirklich, Sie kommen damit durch, was?«
Doch Night beachtete sie gar nicht. Er wandte sich um und ging zurück in die Zelle. Mit den Handflächen strich er leicht über seinen Brustpanzer. Einen Moment später tauchte er wieder auf, Jet mit sich zerrend. Sie folgte ihm, steifbeinig, mit fahlen Wangen und unstetem Blick. Als sie über Tasers Körper stolperte, hielt sie zweifelnd inne und sah nach unten.
»Bruce …«, murmelte sie.
»Der wird dir keine Probleme mehr bereiten«, redete Night beruhigend auf sie ein. »Komm schon, Joan. Ich habe dich.«
Sie rührte sich nicht vom Fleck, ihre Augen starrten wie gebannt auf Taser. »Sie sind wahnsinnig«, sagte sie flüsternd. In ihre Wangen kehrte ein bisschen Farbe zurück, als sie verächtlich zischte: »Sie sind noch schlimmer als mein Vater war. Schlimmer als Everyman.«
»Ach nee«, warf Iridium verblüfft ein, während sie sich in ihren Fesseln wand. Die engen Stahlbänder sorgten dafür, dass sie nicht einmal die Finger bewegen konnte.
»Pst!«, zischte Night, und Jet verstummte. Kopfschüttelnd sah er hinüber zu Iridium. »Oh, Calista.« Er seufzte. »Du konntest noch nie still sitzen.« Er ließ Jet stehen, die noch immer mit Betäubungshandschellen gefesselt war, ging hinüber zur Maschine und band Iridiums Hände los. Sofort stürzte sich Iridium auf ihn und versuchte, gleichzeitig Nights Hals zu umklammern und ihre Kräfte zu rufen.
Grelle Lichter explodierten in ihrem Schädel, als Night ihr mit dem Handrücken derb ins Gesicht schlug. Sie sackte auf dem kalten Fußboden zusammen, und all ihre Kraft floss aus ihr heraus. Als wäre sie etwas Trügerisches, Wildes und nicht die vertraute Hitze, die in ihrem Körperinneren hauste.
»Probleme?«, flüsterte Night ihr ins Ohr.
Iridium schlug nach ihm. Der Hieb glitt seitlich an seinem Schädel ab. Night gluckste irre und trat ihr mit dem Fuß in die Eingeweide. Sie würgte und spuckte Blut.
»Sei nicht so melodramatisch«, sagte Night. Es klang nicht einmal unfreundlich. »So was steckst du doch locker weg. Und außerdem vertraue ich darauf, dass du weiterkämpfst. Um Jets willen.«
Iridium sah zu Night hoch. Der lächelte unerbittlich auf sie hinunter. Das Ende der Welt war gekommen, und dieser Hurensohn lächelte sie an. »Lass Jet da raus.«
»Ich fürchte, das geht nicht. Sie ist die Einzige, die deine Kräfte aus dir heraussaugen und so kanalisieren kann, dass sie durch den Schattengenerator fließen.« Er seufzte. »Ich habe versucht, Mitleid mit dir zu empfinden, weil du nicht mehr da sein wirst, um das Ergebnis deines großherzigen Opfers zu bewundern. Aber dann dachte ich mir: Wird der Welt wirklich etwas fehlen, wenn es dich nicht mehr gibt? Sie wird mit Sicherheit ein ruhigerer, vornehmerer Ort sein.«
»Fick dich!«, fauchte Iridium und
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