Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
dirigierte. Es sah so einfach aus: Mit einem kleinen Hebel regelte er die Bewegungen von über 33.000 Tonnen.
    Auf der Terrasse des Piergebäudes spielte die amerikanische Kapelle zum Abschied den deutschen Militärmarsch Alte Kameraden. Ihr antwortete auf dem Promenadendeck die Bordband mit Nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise … und Auf Wiedersehn, auf Wiedersehn, bleib nicht so lange fort … Bewußt vermied man es an Bord, sich mit Militärmärschen zu verabschieden. Man war ein ziviles Schiff, auch wenn die männlichen Passagiere, zu neunzig Prozent im Alter ehemaliger Frontkämpfer, mit glänzenden Augen das Alte Kameraden genossen, zackig den Takt auf die Reling schlugen oder mit durchgedrücktem Rückgrat und angedeutetem Marschschritt über das Promenadendeck liefen. Einige bekamen sogar rote Augen vor Rührung. Good by, ihr lieben Amis …
    Langsam schwamm die MS Atlantis aus dem Hafen von San Francisco. Zwei Feuerschiffe ließen die Sirenen heulen, Atlantis antwortete mit einem dreimaligen Gedröhn ihrer tiefen, wuchtigen Nebelhörner. Hunderte von Armen winkten, die amerikanische Kapelle spielte jetzt Musicalmelodien, die Bordband ging unter Deck.
    »Eine faule Bande«, sagte ein weißgelockter Herr in einem Seidenanzug geringschätzig. »Wette, die sind alle in der Gewerkschaft.«
    An der Reling des Promenadendecks stand auch Ewald Dabrowski, der Blinde. Neben ihm umklammerte Oliver Brandes den hölzernen Handlauf und atmete tief und hastig. Es gab nun kein Zurück mehr. Der weite Ozean würde ihn umklammern. Man konnte nicht mehr zu Fuß nach Gelsenkirchen. Die Tabletten von Dr. Paterna, die wurschtig machen sollten, wirkten überhaupt nicht, obwohl er kaum ahnen konnte, daß es ohnehin nur harmlose Kalktabletten gewesen waren.
    Brandes starrte seinen Nachbarn an und seufzte tief. »Sie sind blind?« fragte er.
    »Ja«, antwortete Dabrowski kurz.
    »Sie haben's gut, Sie sehen das Meer nicht.«
    »Wir können ja tauschen. Ich möchte das Meer gern sehen.«
    »Sie haben keine Angst?«
    »Wovor?«
    »Daß wir untergehen.«
    »Früher oder später muß jeder von uns dran glauben. Was soll's?«
    »Lieber Himmel, Sie haben Nerven! Wissen Sie, wie schrecklich Ertrinken ist?«
    »Nein. Es wäre bei mir das erstemal. Sie haben Erfahrung darin?«
    Brandes sah ein, daß hier kein vernünftiges Gespräch zustande kommen würde. Er stieß sich von der Reling ab und ging weiter. Vielleicht, sagte er sich, müssen Blinde mit einem gewissen Fatalismus leben, um ihr Leiden zu ertragen. Eigentlich bewundernswert, dieser Mann. Das hatte er schon im Flugzeug gedacht.
    Teyendorf ging von der Brücke, als die Atlantis den Hafen verlassen und die Durchfahrt unter der Golden-Gate-Brücke hinter sich hatte. Es war immer wieder ein Erlebnis, dieses Bauwerk zu unterqueren und die Skyline von San Francisco langsam versinken zu sehen. Die Begeisterung der Passagiere war grenzenlos. Sie fotografierten aus allen Sichtwinkeln die Gefängnisinsel Alcatraz; seit langem befand sich kein Sträfling mehr in den düsteren Gebäuden – doch der Mythos war geblieben, zum letzten Lebewohl die Golden-Gate, die so herrlich war.
    Und vor ihnen lag nun der Pazifik, der größte Ozean der Welt. Ein bis ins kleinste durchorganisiertes Abenteuer begann.
    Teyendorf fand in seiner Kapitänswohnung, gleich hinter der Brücke, Hoteldirektor Riemke und Obersteward Pfannenstiel vor. Er warf seine Mütze auf den Schreibtisch, setzte sich in den grünen Ledersessel und faltete die Hände. Die Schiffsführung hatte Willi Kempen, der Leitende Erste, übernommen.
    »Was gibt's?« fragte er.
    Pfannenstiel legte ihm ein Blatt Papier auf den Tisch. »Der Vorschlag für den Kapitänstisch, Herr Kapitän. Sie hatten keine Wünsche geäußert.«
    »Mir ist doch Wurscht, wer da sitzt.« Teyendorf warf einen kurzen Blick auf die Liste. Drei Paare und ein Single. »Es ist eh eine Qual …«
    »Wir haben drei wichtige Repeater an Bord. Außerdem Generaldirektor Fürst von den Vereinigten Pumpenwerken, den Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Simka von der Hohenberger Chemie, den Chirurgen Professor Dr. Lampertz, alle mit Damen, dann den Bundestagsabgeordneten …«
    »Aufhören!« Teyendorf legte mit schauspielerischem Talent beide Hände gegen die Ohren. »Wird das wieder eine Fahrt …«
    »In Sydney wird ein Herr vom Vorstand der Reederei an Bord kommen«, teilte Riemke mit. »Wer, weiß man noch nicht.«
    »Auch das noch! Ist das die ganze Auswahl aus sechshundert

Weitere Kostenlose Bücher