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Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Passagieren? Haben wir keinen Handwerksmeister an Bord, keinen Gemüsehändler, keinen netten, alten freundlichen Pensionär …?«
    »Wir können die einflußreichen Herrschaften nicht brüskieren, Herr Kapitän. Ich weiß, wie Sie denken, aber die Herrschaften warten auf den Kapitänstisch.« Riemke hob die Schultern. »Die einen drängen sich danach, die anderen flüchten. Ich würde auch flüchten.«
    »Raus, Riemke!«
    »Ich kann Ihnen auch Mrs. White an den Tisch setzen, Herr Kapitän«, sagte Pfannenstiel milde.
    »Wenn ich nicht noch in dieser Sekunde Ihre rauchenden Absätze sehe, passiert ein Unglück!« Teyendorf schlug mit der Faust auf den Tisch. »Herrschaften, mir ist es völlig egal, mit wem ich immer wieder denselben Quatsch reden muß. Zum Glück haben wir bis Valparaiso nur elf richtige Seetage, an denen ich am Tisch sitzen muß. Ich lasse mich überraschen.«
    Während Riemke und Pfannenstiel noch bei Kapitän Teyendorf wegen des Ehrentisches verhandelten, stauten sich bei den beiden Obersteward-Stellvertretern bereits die Reklamationen. Einige feilschten um Tische an den Fenstern. Andere, die ausgebuffte Kreuzfahrer waren, wollten ihren Fenstertisch wieder loswerden, weil sie wußten: Später, in der Südsee, aber auch schon an der Küste Südamerikas, würde die Sonne so durch die Scheiben brennen, daß trotz vorgezogener Gardinen und voll laufender Klimaanlage jedes Essen zum Schwitzbad wurde. Außerdem: Was nützt die schönste Aussicht, wenn das Fenster dauernd verhangen ist? Wenn man auch selbst vielleicht hart im Nehmen ist – die Nachbartische werden laut reklamieren: Vorhang zu!
    Einen heroischen Kampf trug ein Ehepaar aus Oelde aus. »Herr Obersteward!« sagte der Mann, vor Erregung hochrot im Gesicht. »Ich erfahre soeben, daß das Ehepaar Senkpiel mit uns am Tisch sitzen soll. Ausgeschlossen, sage ich! Die saßen schon vor uns im Jumbo. Der Mann raucht Pfeife! Eine nach der anderen. Hat eine ganze Pfeifentasche mit. Und einen Tabak raucht er! Meiner Frau wurde schlecht, sie mußte würgen, war nahe an einem Herzanfall. Und nun sollen diese Leute vier Wochen an unserem Tisch … nein, nein, das muß sofort geändert werden!«
    Er drückte dem Obersteward-Stellvertreter diskret hundert Mark in die Hand und bekam den Zweiertisch B 16, weit weg vom Ehepaar Senkpiel und der schnorchelnden Pfeife.
    »Es geht alles, wie du siehst, mein Liebes«, sagte der Mann aus Oelde siegesfroh zu seiner Frau. »So ein Scheinchen …«
    Er hätte gar nicht so viel ausgeben müssen, Tisch B 16 war sowieso frei gewesen.
    Bis zum Abendessen rumorte es in allen Kabinen. Das Gepäck war verteilt worden, nun packte man aus, hängte die Kleider und Anzüge in die Schränke, verteilte die Wäsche in die Schubladen. In mindestens einhundert Kabinen stießen die Damen entsetzte, spitze Schreie aus, als sie ihre zerknitterten Kleider aus den Koffern holten, und suchten im Telefonverzeichnis die Nummer des Bordschneiders – aber der war dauernd besetzt und überhaupt nicht in seinem kleinen, muffigen Atelier. Die auf jedem Deck innen liegenden Bügelzimmer zur Selbstbedienung waren sofort gestürmt, die ersten weiblichen Schlachten wurden geschlagen. Wer mit mehr als einem Kleid am Bügelzimmer anstand, wurde beschimpft als rücksichtslos. Mit Entzücken hätte ein Sprachforscher festgestellt, zu welchen kühnen Wortschöpfungen Damen der Gesellschaft fähig waren.
    Die Zeit flog dahin. Die 1. Tischzeit begann – durch die Abfahrt verschoben – heute um 19 Uhr. Es gab an Bord kaum einen Ehemann, der nicht den Mißmut seiner besseren Hälfte ertragen mußte. Die Männer selbst hatten keine Probleme: Hose, Hemd, Schlips und eine leichte Jacke, das saß immer. Die Aufregung ihrer Frauen kompensierten sie mit einem Bier. Das ist das beste, was man in einer solchen Situation tun kann.
    Auf Kabine 213 kleideten sich die Fehringer-Zwillinge sorgfältig an. In nichts unterschieden sie sich voneinander, sogar die Ziertücher in den Jacken ragten millimetergenau aus der Brusttasche hervor. Im bodenlangen Ankleidespiegel waren sie vollkommen gleich. Sie hatten noch Zeit bis zur 2. Tischzeit um 20.30 Uhr.
    »Wer zuerst?« fragte Herbert.
    »Knobeln wir.«
    Sie zogen Streichhölzchen, und Herbert gewann. Eigentlich war das völlig überflüssig, aber es machte ihnen stets wieder Spaß. Immerhin: Der zweite Esser hatte den schwierigeren Part, denn von ihm nahm der Tischsteward an, daß er satt sein müßte. Es war jedesmal so

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