Psychologische Homöopathie
zum Narren zu machen, ist ihre verbreitete A version gegen die Benutzung öffentlicher Toiletten. Das hat zwar auch mit ihrer Angst vor Schmutz zu tun, hängt aber hauptsächlich mit der Verlegenheit zusammen, die sie empfindet, wenn andere in den Nebenkabinen hören, was sie tut. Viele Natrium-Typen leiden unter Verstopfung, weil sie sogar zu Hause die Toilette nicht benutzen, wenn irgend jemand in der Nähe ist, der sie hören könnte.
Abgesehen von sozialen Ängsten und der Furcht vor emotionalen Verlusten hat Natrium noch andere Ängste, die zwar nicht so eng mit den zugrundeliegenden emotionalen Verletzungen zu tun haben, aber doch daraus entstanden sind. Ein Beispiel ist Klaustrophobie. Diese Angst läßt Homöopathen an Argentum nitricum und Stramonium denken, aber nicht an Natrium, weil es in den traditionellen Texten unter diesem Stichwort kaum erwähnt wird. (In Kents Repertorium steht Natrium nicht unter »Furcht in einem engen Raum«, sondern unter »Furcht in einer Menschenmenge«.) Dies ist ein Beispiel dafür, wie unvollständig die alten Repertorien und Arzneimittellehren sind, besonders im Hinblick auf die Geistessymptome. Natrium muriaticum gehört zu den Standardmitteln für Patienten mit Klaustrophobie, denn diese Phobie tritt bei Natrium häufig auf, während Argentum- und Stramonium-Patienten vergleichsweise selten sind. Die Klaustrophobie von Natrium kann sehr spezifisch sein und nur in bestimmten Situationen wie in engen Fahrstühlen oder Räumen ohne Fenster auftreten. Sie kann aber auch allgemeiner sein und den betreffenden Menschen in vielen verschiedenen Situationen beunruhigen. Einige Natrium-Menschen empfinden die Klaustrophobie nur, wenn ihnen Wasser über den Kopf geschüttet wird oder wenn die Bettdecke über sie gezogen wird. Andere geraten nur in großen Menschenmengen oder im Auto in Panik. Die Klaustrophobie von Natrium tritt besonders bei emotionalem Streß auf, beispielsweise bei Schwierigkeiten in der Partnerschaft oder nach einem schmerzlichen Verlust, und das ist ein Hinweis auf die zugrundeliegenden Ursprünge. Ich vermute, daß Natrium zu Erstickungsgefühlen neigt, weil er emotional übervoll ist mit unterdrückten Gefühlen. Es ist so, als würden diese Gefühle wie ein Flüssigkeitsspiegel ansteigen, und wenn sie den Hals erreichen, hat Natrium das Gefühl, als könne er nicht mehr atmen, besonders wenn die äußeren Bedingungen ein Spiegelbild seiner inneren Verfassung sind.
Eng verwandt mit Natriums Tendenz zur Klaustrophobie ist seine Neigung zu Panikattacken aller Art (Kent: »Hysterie«). Sehr viele Natrium-Patienten konsultieren den Homöopathen wegen Panikattacken, die anscheinend aus heiterem Himmel auftreten und die Aktivitäten des Patienten oft stark einschränken. Häufig wird dann Argentum verordnet (was nicht hilft), weil dem Homöopathen nicht klar ist, daß Natrium für Panikattacken anfällig ist. Die Symptome sind dabei meist nicht sehr spezifisch. Es kommt zu plötzlichen Schreckgefühlen, die von Atembeschwerden und rasendem Herzklopfen begleitet sind. Ähnliche Anfälle beschreiben Argentum, Sepia, Alumina, Causticum, Phosphor, Ignatia und Syphilinum. Es sind nicht die Charakteristika der Panikattacken, die einem helfen, das richtige Mittel zu identifizieren, sondern die gesamte Geschichte des Patienten und besonders das umfassende Persönlichkeitsbild. Diese Panikattacken sind lediglich ein Ausdruck der inneren Anspannung aufgrund der ständigen Unterdrückung schmerzhafter Gefühle. Wenn diese Gefühle erst einmal empfunden und ausgedrückt worden sind, verschwinden die Panikattacken. Manchmal reicht die Arznei in hoher Potenz, um die Anspannung zu zerstreuen. Manchmal braucht der Patient aber auch zusätzlich eine tiefgreifende Psychotherapie.
Viele Natrium-Frauen haben Angst, von Männern angegriffen zu werden, was sie als Furcht vor Räubern beschreiben oder als Furcht, überfallen und vergewaltigt zu werden. Manchmal hängt das mit Mißbrauchserlebnissen in der Kindheit zusammen, die aus dem Gedächtnis verdrängt worden sind, manchmal auch mit Erlebnissen aus der jüngeren Vergangenheit, an die sich die Patientin noch erinnern kann. Oft hat es aber auch gar keine realen Übergriffe gegeben, und die Angst resultiert aus dem Gefühl der Verletzlichkeit und der Gefahr, die kleine Kinder empfinden, wenn sie sich nicht geliebt fühlen. (Sich nicht geliebt zu fühlen bedeutet für ein kleines Kind, sich in Todesgefahr zu fühlen.) Solche Frauen
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