Psychologische Homöopathie
können sich nicht entspannen, wenn sie nachts alleine sind, und selbst wenn sie nicht alleine sind, überprüfen sie vielleicht immer wieder, ob auch alle Türen und Fenster fest verschlossen sind, bevor sie ins Bett gehen. Die Angst wird oft von Alpträumen begleitet, in denen die Patientin verfolgt oder beraubt wird. (Kent: »Sie träumt von Räubern und kann erst schlafen, wenn das Haus durchsucht worden ist.«) Kinder, die Angst vor nächtlichen Einbrechern haben, werden in den meisten Fällen ebenso auf Natrium muriaticum reagieren.
Zu den verbreiteten Ängsten von Natrium gehört auch die Furcht vor Schlangen (die man bei Natrium viel häufiger findet als bei Lachesis, weil Lachesis-Typen viel seltener sind) und die Furcht vor Insekten, insbesonderevor Spinnen. Diese Ängste sind wahrscheinlich ein Ausdruck der allgemeinen Furcht vor Angriffen, denn sowohl Spinnen als auch Schlangen können giftig sein und greifen ihre Opfer überraschend an. Aus demselben Grund fürchtet sich Natrium oft auch vor Haien.
Eine Angst, die man bei Natrium zunächst nicht erwartet, ist die Furcht vor dem Tod. Zwar würden viele depressive Natrium-Typen den Tod willkommen heißen, aber andere leben in ständiger Furcht vor diesem letzten Unbekannten. Es ist der Aspekt des Unbekannten, den Natrium beim Tod genauso fürchtet wie die unbekannten Tiefen des eigenen Bewußtseins. Eine meiner Natrium-Freundinnen hatte nichts dagegen, über den Tod im allgemeinen zu reden, aber den Gedanken an ihren eigenen Tod empfand sie als sehr bedrohlich, denn er beschwor die Vorstellung einer grenzenlosen Leere herauf, die sie in Panik versetzte.
Die Angst vor Behinderungen ist ebenfalls eine klassische Erscheinung bei Natrium. Viele würden lieber sterben, als behindert und pflegebedürftig zu sein, denn als Behinderte wären sie vollkommen abhängig von anderen Menschen, etwas, das sie immer, so gut es ging, vermieden haben, denn Abhängigkeit bedeutet Verwundbarkeit und die Möglichkeit, verletzt zu werden, gar nicht zu reden von der Schuld, anderen zur Last zu fallen. Auch chronische Krankheiten werden gefürchtet, denn sie schränken die Bewegungsfähigkeit ein, und man kann nicht mehr durch irgendwelche Aktivitäten den eigenen unterdrückten Gefühlen entfliehen.
Wie Klaustrophobie findet man bei Natrium manchmal auch Agoraphobie (Angst vor offenen Plätzen). Ein Beispiel dafür ist ein Natrium-Junge im Teenageralter, den seine Mutter zu mir in die Sprechstunde brachte, weil er Angst hatte, aus dem Haus zu gehen. Wenn er nicht zu Hause war, fühlte er sich immer unwohl oder hatte sogar richtig Angst, so daß er mehr und mehr zum Einsiedler wurde. Seine Angst hing offenbar mit der frühen Kindheit zusammen, als seine Mutter ständig mit ihm unterwegs war, um den Vater zu begleiten, der ein Profisportler war und zu Wettkämpfen durch das Land reiste. Seine Eltern kamen nicht miteinander aus, und er fühlte sich seiner Mutter näher als seinem Vater. Deshalb empfand er es als bedrohlich, nicht zu Hause zu sein, denn dann konnte er seine Mutter nicht für sich haben und wurde jedesmal daran erinnert, daß es mit seinem Familienleben nicht zum besten stand. Alles, was er wollte, war bei seiner Mutter zu Hause zu sein, und dadurch entstand die Abneigung dagegen, das Haus überhaupt zu verlassen, eine Abneigung, die nach einigen Dosen Natrium muriaticum 10M verschwand. Natrium-Kinder wie er, die sich unsicher fühlen, weil ihre ElternBeziehungsprobleme haben, sind oft bis zum Teenageralter Bettnässer. (Bettnässen scheint bei Natrium-Kindern häufiger als bei allen anderen aufzutreten, und sie reagieren in den meisten Fällen gut auf eine Dosis Natrium 10M.) Alpträume treten auch sehr häufig bei diesen verunsicherten Kindern auf, die dann oft versuchen, bei den Eltern im Bett zu schlafen, um ihre Angst zu verscheuchen.
Der gesunde Natrium
Ein wirklich gesunder Mensch, der frei von früheren emotionalen Verletzungen und dabei gleichzeitig liebevoll und selbstsicher ist, begegnet einem unabhängig vom Konstitutionstyp nur selten. Es gibt jedoch viele Natrium-Menschen, die emotional relativ gesund sind, weil sie entweder als Kinder von ihren Eltern bedingungslos geliebt wurden oder weil sie nach einer tiefgehenden Psychotherapie die Vergangenheit loslassen konnten. Diese »gesunden« Natrium-Menschen verfehlt der Homöopath leicht, weil die meisten charakteristischen Geistessymptome von Natrium mit einer emotionalen Pathologie verbunden sind.
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