Psychologische Homöopathie
kontrollieren. Diese Kontrolle ist eine Folge ihrer Unsicherheit und gleichzeitig eine Quelle weiterer Ängste. Denn je rigider ein Mensch wird, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß seine brüchigen Schutzwälle durch unvorhergesehene Ereignisse zusammenstürzen.
Kalium schafft es meist, den größten Teil seiner Ängste lange Zeit zu verbergen, manchmal ein ganzes Leben lang. Gelegentlich kommt es jedoch zum Zusammenbruch. Das geschieht besonders häufig nach dem Verlust eines bedeutsamen Sicherheitsfaktors, wie etwa des Arbeitsplatzes oder des Partners.
Wenn Kalium zusammenbricht, sind die Geistessymptome ähnlich wie bei einem aufgeregten Arsenicum. Er hat intensive Angst, besonders wenn er alleine ist (Kent: »Angst, allein zu sein«), und vorzugsweise in den ersten Stunden nach Mitternacht. Der Patient ist ruhelos, reizbar und reagiert überempfindlich auf Lärm, körperliche Unannehmlichkeiten und Berührungen. Selbst bei großer Angst wirkt Kalium jedoch meist kontrolliert und kann weiterhin seine Arbeit normal verrichten.
Beziehungen zum anderen Geschlecht lösen bei Kalium häufig Ängste aus. Das hängt teilweise damit zusammen, daß er verlegen ist und sich gehemmt fühlt. Die während der Pubertät übliche Verlegenheit beim Umgang mit dem anderen Geschlecht kann auch beim Erwachsenen bestehenbleiben und verschwindet vielleicht nie. Wenn Kalium eine Beziehung eingeht, ist er meist pflichtbewußt, aber distanziert. Das Familienleben heitert ihn jedoch ein wenig auf, und häufig gewinnt er dann an Selbstvertrauen und wird entspannter.
Kalium ist genauso vorsichtig wie Arsenicum. Er braucht lange, bevor er sich auf neue Ideen oder neue Bekanntschaften einläßt. Diese mißtrauische Art habe ich auch bei einem Patienten beobachtet, der mich wegen seines Heuschnupfens aufsuchte. Als Psychologe konnte er sich selbst recht gut analysieren, und er war offen genug, ohne Umschweife über seine Ängste zu sprechen. Seine körperlichen Symptome waren klar Kalium carbonicum, und die Geistessymptome paßten gut zu Kalium, obwohl auch Arsenicum nicht völlig ausgeschlossen schien. Einige Dosen Kalium carbonicum C200 brachten Erleichterung für den Heuschnupfen, doch die Besserung war nicht von Dauer. Ich erklärte dem Patienten dann, eine Dosis 10M werde wahrscheinlich im Hinblick auf den Heuschnupfen zu einem dauerhaften Erfolg führen und gleichzeitig auch seine Angst mildern. An diesem Punkt bat er mich, ihm aus meiner Arzneimittellehre den Abschnitt über die Geistessymptome von Kalium carbonicum vorzulesen, damit er sich überzeugen könne, daß es zu seinem Fall paßte. Nachdem ich das getan hatte, fragte er, welche anderen Mittel möglicherweise noch in Frage kommen könnten, und ich mußte ihm dann die Persönlichkeitszüge dieser Mittel beschreiben. Dann telefonierte er mit einem anderen Homöopathen, mit dem er befreundet war. Dieser riet ihm von Kalium carbonicum ab (weil er dafür zu »aufgeschlossen« sei). Schließlich nahm er die Dosis und wurde ungefähr eine Woche lang melancholisch,war aber nicht bereit, diese Reaktion auf das Arzneimittel zurückzuführen (Kent: »halsstarrig«). Danach war er deutlich weniger intellektuell und hatte einen besseren Zugang zu seinen Gefühlen.
Der Fall dieses Patienten zeigt einen Aspekt der Kalium-Mentalität, der hauptsächlich in den Angstphasen auftritt: die Tendenz zu immer wiederkehrenden fixen Ideen, die den Patienten unkontrollierbar überkommen. Der Gedanke mag tiefgründig oder banal sein, bedeutsam oder unsinnig, jedenfalls wird man ihn nicht mehr los (Causticum, ein anderes Kalium-Salz, hat dieses Symptom ebenfalls, genauso Mercurius). Während man einen Brief schreibt oder Musik hört, kommt einem der Gedanke »Alle Menschen müssen sterben« in den Sinn und kann nicht mehr ausgelöscht werden. Es ist nicht der fast unwiderstehliche Impuls zu handeln, wie bei Arsenicum, sondern einfach ein belangloser Gedanke, den man nicht mehr los wird. Es ist so, als sei Kalium ein bißchen verrückt geworden oder als könne man einen bestimmten Stromkreis nicht mehr abschalten.
Die anderen Kaliumsalze
Ich habe festgestellt, daß es sich bei Kalium bichromicum öfter um Frauen handelt, während bei Kalium carbonicum die Männer überwiegen. Die Persönlichkeiten sind im Prinzip kaum zu unterscheiden, aber die unterschiedliche Verteilung der Geschlechter könnte eine Erklärung dafür sein, warum ich den Eindruck habe, daß Kalium bichromicum etwas
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