Psychologische Homöopathie

Fahrt kommt. Wie eine Hochgeschwindigkeitslokomotive bei ihrer Fahrt bergab beginnt Lachesis relativ langsam zu sprechen und wird dann schneller und schneller, bis man in einigen Fällen nichts mehr verstehen kann. Es ist so, als habe die aufgestaute psychische Energie durch das Reden ein kleines Ventil gefunden, und allmählich fließt sie immer stärker und erweitert dabei die Öffnung.
    Lachesis ist im allgemeinen ein schneller Mensch. Selbst die entspannte Lachesis hat einen raschen Verstand, der eine Vorstellung oder eine Situation auf der Stelle erfassen kann. Wie eine ruhende Kobra kann Lachesis plötzlich, sozusagen aus dem Stand, in eine dynamische Aktivität hineinspringen, wenn es die Situation erfordert (Kent: »handelt schnell«). Die gesündere Lachesis hat eine Art »ruhender Wachsamkeit«, als sei das Nervensystem jederzeit in Alarm und startbereit. (Dieses Charakteristikum der plötzlichen und schnellen Veränderung findet man im gesamten Arzneimittelbild. Auf der körperlichen Ebene entwickeln sich die Symptome so rasch, als kämen sie aus dem Nichts, und die Geschwindigkeit nimmt dann immer mehr zu. Absonderungen beispielsweise beginnen langsam und werden dann schnell immer heftiger.)
    Die stärker angespannte Lachesis ist die meiste Zeit in Eile. Die aufgestaute psychische Spannung findet ihr Ventil in schneller Aktivität, aber Eile wird bei den meisten Menschen begleitet von Reizbarkeit, Ungeduld und Angst, und dabei bildet Lachesis keine Ausnahme. Erwartungsgemäß ist die stärker anmaßende und selbstgefällige Lachesis eher ärgerlich und reizbar, wenn sie »aufdreht«, während der weniger selbstgefällige Typus eher zu Ängsten neigt.
Sinneslust und Inspiration
    Wie andere leidenschaftliche Typen hungert auch Lachesis meist nach Erfahrungen. Für einige wird dieses Bedürfnis durch äußere Anregungen befriedigt. Vorallem Lachesis-Jugendliche können Aufwiegler sein, die sich gegen die elterliche Autorität auflehnen und sich voller Leidenschaft Musik, Tanz, Alkohol und Sex hingeben. Lachesis-Menschen haben eine dionysische Seite in ihrem Charakter. Ebenso wie Phosphor, Medorrhinum und Ignatia können sie leicht in Ekstase geraten, und zwar sowohl durch sinnliche Genüsse als auch durch meditative Erlebnisse (Kent: »Ekstase«). Es ist interessant zu sehen, wie viele Aspekte der Lachesis-Konstitution traditionell durch die Schlange symbolisiert werden. Seit Tausenden von Jahren repräsentiert die Schlange die »finsteren« Kräfte der Lust, der Arglist und der sinnlichen Versuchung, aber auch das »höhere« Prinzip der Weisheit. Jeder Lachesis-Mensch muß sich entscheiden, ob er seinen sexuellen und sinnlichen Bedürfnissen uneingeschränkt nachgibt oder ob er sie auf eine höhere und mehr spirituelle Ebene sublimiert.
    Die sinnliche Seite von Lachesis führt oft dazu, daß er oder sie dem Alkohol und anderen Stimulanzien verfällt (Kent: »Trunksucht«). Der entspannte Lachesis-Typ gerät mit Hilfe von Drogen leicht in einen euphorischen Zustand, während der angespannte Lachesis-Typ vielleicht von Drogen abhängig wird, um seine Spannung abzubauen. In dieser Beziehung erinnert Lachesis an Nux, und die stärker extrovertierten und selbstgefälligen Lachesis-Typen kann man leicht mit Nux verwechseln. Beide sind schnell, genießerisch, entschlossen und haben eine Tendenz zu Spannungen und Launen. Außerdem können beide Typen stolz, berechnend und rachsüchtig sein. Kent war in seinen Vorlesungen bemerkenswert schonungslos hinsichtlich der mehr negativen Seiten von Lachesis, aber seine Kommentare über die Arroganz, über Neid, Haß, Rachsucht und Grausamkeit von Lachesis könnten genausogut für Nux gelten. Manchmal lassen sich diese beiden Mittel nicht allein anhand der Geistessymptome unterscheiden, sondern man muß auch die körperlichen und Allgemeinsymptome berücksichtigen.
    Insgesamt unterscheidet sich der Lachesis-Typ von Nux dadurch, daß er sensibler und stärker künstlerisch und mystisch veranlagt ist, während bei Nux der Pragmatismus überwiegt. Viele sehr originelle Künstler sind Lachesis-Typen, und dazu gehören darstellende Künstler ebenso wie Sänger und Musiker. Ich nahm einmal die Fallgeschichte eines solchen Künstlers auf. Er war ein prominenter Produzent und Komponist von elektronischer New-Age-Musik.Seine Musik war so verträumt und lyrisch, daß man nie auf die Idee gekommen wäre, Nux vomica könne sein Mittel sein. Außerdem war sein Haus voll mit exquisiten