Psychologische Homöopathie
eingenommen haben.
Stolz geht gewöhnlich einher mit der Tendenz, auf Kritik ärgerlich zu reagieren, und Lachesis bildet darin keine Ausnahme. Der stolze, extrovertierte Lachesis-Mensch ist so lange angenehm, wie er im Mittelpunkt der Aufrnerksamkeit steht, aber er langweilt sich, wenn er eine passive Rolle übernehmen soll, und wird ärgerlich, wenn er seine eigene hohe Selbsteinschätzung bedroht sieht. Obwohl er das nicht ausstehen kann, wird er aber erst explodieren, wenn er zusätzlich schon seit einiger Zeit sexuell frustriert ist oder wenn er von der Eifersucht gepackt wird. Je größer die sexuelle Spannung, desto geringer der Anlaß, der zur Entladung führt, und desto heftiger der Wutausbruch. Der äußere Anlaß muß in keinem Zusammenhang zu der zugrundeliegenden Spannung stehen. Vor allem bei Männern hängt Stolz sehr eng mit Sexualität zusammen, und dasselbe gilt für Aggressionen. Das wird in einem gewissen Ausmaß durch die Tatsache bestätigt, daß die stolzeren Konstitutionstypen meist auch den stärksten Sexualtrieb haben. Platina ist ein extremes Beispiel, denn er ist nicht nur am stärksten sexbesessen, sondern auch der stolzeste aller Konstitutionstypen.
Ein anderes Motiv, das sich durch das Arzneimittelbild von Lachesis zieht, ist die Unerträglichkeit von Einschränkungen. Auf der körperlichen Ebene verträgt der Patient keine enge Kleidung, vor allem nicht um den Hals herum. Viele Schmerzen von Lachesis werden als einengend oder zerquetschend empfunden (als befinde man sich in der Gewalt einer Anakonda), das Spiegelbild der unterdrückten inneren Anspannung. Auf der psychischen Ebene sind Einschränkungen für Lachesis genauso unerträglich. Er kann sich zwarauf eine vertrauensvolle intime Beziehung einlassen (anders als viele Lycopodium- oder Tuberculinum-Typen, deren Bindungsangst dauerhafte Beziehungen möglicherweise ausschließt), aber nur unter der Voraussetzung, daß er bei Bedarf reichlich Spielraum hat und seine Partnerin ihm keine Vorschriften macht. Viele Lachesis-Menschen bleiben trotzdem allein, entweder aus Angst oder Schüchternheit oder weil sie sich in ihrer Freiheit nicht einschränken lassen wollen. (Kent: »Der Gedanke an Heirat ist unerträglich.«) Lachesis wird gereizt, wenn man ihn herumkommandiert, und wird bald seinem Ärger über die Beschränkungen Luft machen. Ganz ähnlich fällt es vielen Lachesis-Menschen auch schwer, sich an die Einschränkungen eines Büroalltags zu gewöhnen. Sie brauchen nicht nur jede Menge frischer Luft, sondern auch die Anregung einer kreativen Arbeit, und sie werden wahrscheinlich zu Hause besser arbeiten können als unter den Zwängen einer stark strukturierten Umgebung.
Ich habe einmal einen Künstler wegen einer Sehnenscheidenentzündung behandelt. Er war Bildhauer, und sein Zustand behinderte ihn bei der Arbeit. Obwohl schon 54 Jahre alt, war er eine jugendliche Erscheinung mit dem für Lachesis typischen roten Haar, Sommersprossen und einem schlanken, hungrigen Aussehen. Er sagte mir, er arbeite oft rund um die Uhr an einer Skulptur, und als ich ihn nach dem Grund fragte, meinte er, das sei einfach seine Leidenschaft und die größte Freude seines Lebens. Er hatte gerade seine Frau und seine Familie verlassen, weil er »für seine Kunst frei sein wollte«, Offensichtlich empfand er keine Reue und keine Gewissensbisse darüber, daß er seine Familie verlassen hatte. Tatsächlich konnte er seine Begeisterung nicht zurückhalten, als er über seine Pläne sprach, mit einer Schubkarre durch Europa zu wandern (zusammen mit seiner neuen jungen Freundin) und seine Fähigkeiten als Bildhauer anzubieten, um sich in den Städten und Dörfern Unterkunft und Verpflegung zu verdienen. Er wollte unbedingt homöopathisch behandelt werden und führte während des Gesprächs zahlreiche Seitenhiebe auf die Torheit der allopathischen Medizin. Zwischendurch philosophierte er und hielt große Reden über die tödlichen Auswirkungen der konventionellen kapitalistischen Wirtschaft und der nuklearen Bedrohung. Am Ende des Gesprächs hatte ich keinen Zweifel, daß er konstitutionell Lachesis war, aber als er hörte, er müsse auf Kaffee und Haschisch verzichten, sagte er, er werde wiederkommen, wenn er dazu bereit sei. Wie viele Tuberculinum-Menschen hängen auch manche Lachesis-Typen so sehr an ihren Stimulanzien und an ihrer »Freiheit«, daß sie eher sterben würden, als sich einschränken zu lassen.
Diese Unfähigkeit, Einschränkungen zu
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