Pubertät - Und plötzlich reden sie nicht mehr mit uns. (German Edition)

äußere Einflüsse, die Kinder in die falsche Richtung lenken können. Aber wir müssen verstehen, dass in der Pubertät unser elterlicher Einfluss zurückgeschraubt wird. Bis hierher hatten wir Zeit, positive Werte in unserem Nachwuchs zu nähren. Was wir bis jetzt versäumt haben, können wir nicht mehr nachholen. Unsere Zeit als Eltern, die sagen, was richtig und was falsch ist, wird an diesem Punkt beendet. Es ist vorbei. Ob es uns gefällt oder nicht - das Leben nimmt die Verantwortung, die es uns vorübergehend geliehen hat, wieder zurück und legt sie jetzt in die Hände des Kindes. Mit dem Wunsch, dass es umsichtig und klug mit dieser Freiheit umgehen soll.
    Ob und wie es das tut - dabei können wir nur zusehen. Wir können auffangen und trösten, aber erst, wenn unsere Söhne und Töchter in der entsprechenden Situation ihre eigenen Entscheidungen gefällt haben und möglicherweise mit einem Ergebnis konfrontiert sind, das ihnen nicht behagt. Wir werden aus der aktiven Rolle herausgenommen und in die Begleiterposition versetzt. Wir dürfen zusehen, aber nicht mehr im Vorfeld eingreifen. Wir dürfen raten und von unseren Erfahrungen erzählen, aber wir werden akzeptieren müssen, dass unsere Vorschriften sich nur noch auf das Zusammenleben unter einem Dach beziehen können. Alles andere liegt nicht mehr in unserer Hand. Es ist der Anfang eines eigenständigen Lebens. Von nun an sind wir nicht mehr Eltern im bisherigen Sinne. Wir geben nicht mehr vor. Die Kinder erheben sich aus unserem Leben in ein eigenes Dasein. So wie der Baum seine Früchte freigibt, damit sie auf den Erdboden fallen und mit ihren Samen eigene Pflanzen bilden können. In der Nähe des mütterlichen Stammes, aber trotzdem völlig eigenständig und ohne dessen Zutun.

2.3. Verletzungen bedeuten Loslösung
    Die Pubertät ist anstrengend. Nicht nur für Eltern, die es plötzlich mit einem Wesen zu tun haben, das unberechenbar, launisch, anlehnungsbedürftig, hochgradig emotional, fordernd oder komplett ablehnend sein kann, und das alles an einem Tag. Die ganze emotionale Palette bricht aus dem Kind hervor und die meisten Eltern stehen dieser Situation völlig hilflos gegenüber. Wir möchten helfen und Ruhe in das kindliche Gefühlschaos bringen, trösten und Hoffnung schenken, doch immer wieder werden wir in dieser Zeit die bittere Erfahrung machen, zurückgewiesen zu werden. "Das verstehst du nicht!" oder "Du hast ja gar keine Ahnung!" - diese Sätze fallen sehr oft in dieser Zeit. Und teilweise haben die Jugendlichen auch recht mit ihren Aussagen. Wir verstehen oft IHRE Wege nicht, weil wir von uns ausgehen und versuchen, eigene Ansichten auf die Kinder zu übertragen.
    Niemand hat uns gelehrt, dass ein Kind völlig fertig ausgestattet auf die Welt kommt. Alle Fähigkeiten und Anlagen für seine Tätigkeit im Erwachsenenalter sind von Anfang an in ihm angelegt. Es kann nichts "werden", es kann lediglich jeden Tag ein wenig mehr von dem ausdrücken, was es ist. Und unsere Aufgabe besteht darin , zu erspüren, wer in unser Leben trat und ihm oder ihr das Umfeld zu schaffen, in dem es diese mitgebrachten Fähigkeiten hervorbringen kann. Unabhängig davon, ob das unseren Vorstellungen entspricht und Ansehen oder Geld bringt. Wir wissen doch selber, dass wir nur mit den Dingen wirklich glücklich sind, die tief aus unserem Herzen kommen.
    Vielleicht haben wir nie die Erfahrung machen können, dass jemand auf diese Weise für uns sorgte und hinter uns stand. Aber auch wir können neue Wege beschreiten und uns aus alten Vorstellungen und Verhaltensmustern schälen. Wir wissen nicht, was aus unseren Kindern einmal wird. Dieser Unsicherheit wollen wir nur allzu gerne vorbeugen, indem wir Ratschläge erteilen und Berufsbilder aufweisen, die für uns Erwachsene Sicherheit bedeuten. Aber vielleicht ist unser Kind als einfacher Pferdepfleger wirklich glücklich, weil er oder sie für den Umgang mit Tieren geboren wurde. Und dann müssen wir diesen Weg respektieren, ob er gesellschaftlich anerkannt ist oder nicht. Wer einem Menschen den eigenen Lebensweg nimmt, der tief in jeder Persönlichkeit und als dessen sehnlichster Wunsch verankert ist, zerstört das Leben dieses Kindes und damit sein eigenes. Darum hat Elternschaft eine viel größere Bedeutung, als ihr finanziell in unserer Gesellschaft beigemessen wird. Eltern zu sein bedeutet in Wahrheit neben der physischen Versorgung vor allem eines - ein Kind zu lehren, dass es immer und überall auf den