Puerta Oscura - 01 - Totenreise
lächelte herausfordernd. »Bei Jules gibt es einen Haufen alter Klamotten, bestimmt findest du dort etwas.«
»Danke«, sagte er nicht gerade begeistert. »Wenigstens falle ich dadurch auf, dass ich als Einziger nicht kostümiert bin.«
Kurz darauf standen sie vor Jules’ Haus. Pascal drückte auf einen der Klingelknöpfe, und eifrig stießen sie das alte blaue Holzportal auf, das sie hineinführte. Es war zehn nach elf, und im vierten Stock hatte die Party bereits begonnen.
An die dreißig als Monster verkleidete Gothic-Fans waren anwesend.
»Woher kommen denn die ganzen Leute?«, fragte Dominique an Michelle gewandt. »In unserer Schule gibt es doch gar nicht so viele Goths.«
»Es sind auch Freunde von anderen Schulen da. Und ein paar von uns kleiden sich auch nur so, wenn sie am Wochenende ausgehen.«
»Wochenendgoths …«, flüsterte Dominique. »Schlimmer geht’s wohl nicht.«
Die Gäste hatten sich über zwei Salons verteilt, in denen zahlreiche Sessel und Sofas standen, und in der Küche war eine Art Buffet errichtet worden. Gläser und Teller waren aus Plastik. Die Zimmer und das alte Mobiliar schrien genauso nach Erneuerung wie das Gebäude selbst.
»Willkommen in meinem bescheidenen Heim.« Jules war zu ihnen getreten und begrüßte sie auf zeremonielle Weise, verkleidet als Dr. Frankenstein und mit einem alten Leuchter in der Hand; von den brennenden Kerzen tropfte das Wachs. Er küsste Michelle zur Begrüßung auf die Wangen. »Und ihr«, wandte er sich an die Jungen, »seid Dominique und Pascal, nehme ich an.«
Er kannte sie vom Sehen, sie waren sich im Gymnasium schon oft begegnet. Jules’ Augen funkelten mehr denn je in seinem geschminkten Gesicht. Sie gaben sich die Hand, und die beiden Freunde bedankten sich für die Einladung.
»Bedankt euch bei Michelle, ihr kennt sie ja. Es ist nicht leicht, ihr einen Wunsch abzuschlagen.«
Jules musterte Pascal nun eingehender. »Du bist ja gar nicht angezogen für die Schauernacht«, stellte er fest. »Komm mit, das müssen wir ändern, und zwar sofort. Vor Mitternacht, der Stunde der Toten, musst du so verkleidet sein, dass sich die anderen gruseln.«
»Wir warten hier auf dich«, sagte Dominique. »Mal sehen, ob du es schaffst, uns zu erschrecken.«
»Das bezweifle ich«, erwiderte Pascal düster.
Sein Freund gab ihm einen Klaps auf den Arm. »Mach schon, dein Gesicht hat den Vorteil, dass es einem selbst bei minimaler Veränderung Angst einjagt.«
Pascal erwiderte nichts, und während Dominique und Michelle die Küche ansteuerten, folgte er der hageren Gestalt von Jules, der sich im gespenstischen Schein seiner Kerzen bereits eilig in Richtung Treppe bewegte.
Nachdem sie ein Dutzend hoher Stufen erklommen hatten, blieb der Gastgeber vor einer Tür stehen, die zum Dachboden führte, und öffnete sie. Der Raum war riesig. Er hatte doppelte Stockwerkhöhe, und dem Staub nach zu urteilen, hatte ihn seit Jahren niemand mehr betreten. Jules stellte den Kerzenständer auf einem Tischchen neben dem Eingang ab und drückte einen Schalter. Das dünne Licht der einzigen Deckenlampe erhellte den Boden nur spärlich.
»In diesem Haus wird nichts weggeworfen«, erklärte Jules. »Deshalb wandert alles, was nicht mehr gebraucht wird, hier herauf und wird vergessen. Mein Urgroßvater und Großvater haben es schon so gemacht, also kannst du dir vorstellen, was sich alles angesammelt hat. Ich glaube, nicht einmal meine Eltern haben eine Vorstellung davon.«
»Verstehe.« Pascal war noch immer nicht so recht motiviert. »Und wo finden wir hier etwas zum Verkleiden für mich?«
»Also, von ein paar Sachen weiß ich, wo sie sind, wie zum Beispiel in der Truhe meiner Urgroßmutter Lena«, er winkte mit der Hand, ihm zu einer riesigen, geschnitzten Truhe zu folgen. »Da drin sind jede Menge Klamotten. Bestimmt findest du etwas für dich, das meiste sind natürlich Frauensachen. Aber du kannst dich ja als Mörderin verkleiden.«
Das fehlte gerade noch, als Frau … Pascal seufzte resigniert. Aber vielleicht würde ihm die Aufmachung ja auch helfen, mit den anderen Mädchen zu flirten! Könnte er als Mörderin vielleicht Michelle eifersüchtig machen … Er trat zu der gewaltigen Truhe, die noch viel älter aussah als der Rest des Mobiliars. Jules hob mühsam den quietschenden Deckel und klappte ihn auf. Das Innere quoll über von Kleidern und Hüten, von alten Schuhen und allen möglichen anderen Sachen.
»Mann, das ist wirklich ein Haufen Zeug«, stellte
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