Puerta Oscura - 01 - Totenreise
nicht vielleicht über medizinische Kenntnisse verfügt, weil wir noch immer nicht herausgefunden haben, wie er seinen Opfern das Blut abzapft. Als wäre er ein Vampir!«
Der Gerichtsmediziner blickte Marguerite aufmerksam an.
»Wenn wir nicht weiterkommen«, vermutete sie pessimistisch, »sehe ich mich schon sämtliche Medizinstudenten und praktizierenden Ärzte in Paris überprüfen … vielleicht sogar noch die Veterinäre … Ich will nicht einmal daran denken.«
»Ich mache mich heute noch einmal an die Leichen, Marguerite«, versuchte der Gerichtsmediziner sie zu beruhigen. »Mal sehen, ob ich etwas Neues finde.«
»Die Zeit arbeitet gegen uns«, stellte sie abschließend fest. »Das Profil, das wir erstellt haben, zeichnet einen gnadenlosen Serienmörder. Also wächst mit jedem Tag die Gefahr, dass er wieder zuschlägt.«
Marguerite dämmerte so langsam, dass sie es mit dem schwierigsten Fall ihrer Laufbahn zu tun hatte.
»Ich kriege ihn«, behauptete sie. »Es gibt kein perfektes Verbrechen, der Mörder kann nicht alles kontrollieren. Irgendwann muss er einen Fehler machen.«
»Gewiss«, stimmte der Gerichtsmediziner zu, »das perfekte Verbrechen gibt es nicht. Aber es gibt auch keine perfekte Ermittlung. Auch wir irren uns und vernachlässigen manchmal Dinge. Deshalb gibt es Verbrechen, die nie aufgeklärt werden. Wir sind genauso menschlich wie die Verbrecher selbst, vergiss das nicht.«
Marcel war sich nicht sicher, ob es richtig war, dies zu sagen, und insgeheim stellte er sich die eigentliche Frage: Hatten sie es mit einem menschlichen Wesen zu tun?
»Wir werden keine Fehler machen«, schwor sich Marguerite. Sie griff nach einem Blatt Papier mit den Adressen der Angehörigen der beiden ermordeten Jugendlichen. Denn noch stand ihr die schreckliche Aufgabe bevor, diese vom Tod ihrer Kinder zu unterrichten. Außerdem war da noch der anschließende Besuch im Leichenschauhaus, um die verstümmelten Leichname zu identifizieren … Marguerite hätte dies beides auch an einen Untergebenen delegieren können, doch sie wollte sich dem nicht entziehen; wenn sie diese Verbrechen aufklären wollte, musste sie auch dies übernehmen. Das war sie den Opfern schuldig.
»Marcel.«
»Deine Stimme klingt, als wolltest du mich um einen Gefallen bitten, Marguerite.«
»Du hast recht. Hast du Lust auf einen Friedhofsbesuch heute Abend? Ich will das mit dem Fingerabdruck des Toten klären, und da wir keine Genehmigung haben, müssen wir warten, bis es dunkel ist.«
Den Worten der Kommissarin folgte ein langes Schweigen.
»Marcel?«
»Das meinst du doch nicht im Ernst, oder?«
Empört legte sie die Stirn in Falten: »Du kennst mich doch; ich kann einen Hinweis nicht einfach außer Acht lassen … egal wie absurd er sein mag. Und da wir im Moment nichts anderes haben …«
Marcel war sich der Gefahr wohl bewusst, mitten in der Nacht dieses Grab aufzusuchen. »In Ordnung«, stimmte er schließlich widerstrebend zu. »Und wie hast du dir das vorgestellt?«
Marguerite lachte laut auf. »Aber Marcel, du willst mir doch nicht erzählen, dass du Angst hast.«
***
Es war später Nachmittag, und sie waren noch immer in Daphnes Wohnung, wo sie lediglich eine Kleinigkeit gegessen hatten. Wer hatte angesichts der sich überstürzenden Ereignisse schon Hunger?
Wenigstens hatten sich Pascal und Dominique ein wenig beruhigt. Sie saßen mit der Wahrsagerin am Tisch mit der kristallenen Kugel.
»Ich dachte, der Vampir wäre auf der Suche nach dir«, sagte Daphne gerade, »doch gestern Abend wurde mein Lehrling Edouard angegriffen, und was er mir dann im Krankenhaus erzählte, hat mir die Augen geöffnet. Dieses Wesen aus dem Jenseits ist viel schlauer, als ich gedacht habe. Dabei habe ich es sowieso schon für intelligent gehalten.«
»Ich verstehe nicht«, flüsterte Pascal mit gesenktem Blick. »Was hat das mit Michelle zu tun?«
Pascal hätte am liebsten laut geschrien. War Michelle tatsächlich entführt worden? Er wollte es nicht wahrhaben. Sich vorzustellen, dass sie litt, war unerträglich.
»Der Vampir hat auf seinem Streifzug durch die Stadt die mentalen Kräfte meines Lehrlings entdeckt«, berichtete Daphne. »Sie müssen sich zufällig begegnet sein. Deshalb ist er ihm gefolgt. Er wollte von ihm kein Blut, sondern Informationen.«
»Edouard ist also noch am Leben?«, fragte Dominique.
»Ja, obwohl er verletzt ist. Ich weiß auch nicht, ob das zufällige Auftauchen eines Passanten ihm das Leben gerettet hat,
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