Puerta Oscura - 01 - Totenreise
endlich leise und stimmte ein sanftes Lachen an, in das ihr Kollege nicht einfiel. »Beeindruckend, was?«
Bis zur Gruft der Familie Gautier war es nicht weit. Nach wenigen Minuten hatten sie ihr Ziel erreicht. Die Grabanlage in Form eines griechischen Tempels wirkte zu dieser Stunde auf Marguerite viel erhabener als im grellen Tageslicht.
Sie trat an das Gittertor und machte sich erneut an dem Schloss zu schaffen.
»Es ist offen«, flüsterte sie überrascht. »Jemand muss nach uns hier gewesen sein. Ich dachte, von der Familie wäre niemand mehr am Leben.«
Am Leben vielleicht nicht – aber tot schon, dachte Marcel und schwieg dazu.
Vorsichtig trat er näher, um sich selbst zu überzeugen. Tatsächlich war nicht abgeschlossen, und die Tür war nur angelehnt. Ein leichter Stoß genügte und sie öffnete sich quietschend.
Marguerite wollte schon hineingehen in das Grabmal, als der Gerichtsmediziner sie am Arm packte. »Und wenn jemand drin ist?«
Obwohl Marcel im Grunde recht hatte, kam Marguerite seine Vorsicht ziemlich absurd vor. Wieso sollte hier jemand sein? Wahrscheinlich war das alte, rostige Schloss einfach kaputtgegangen … zufällig. Widerstrebend nahm sie die Pistole aus dem Holster und ging vorsichtig auf die Gruft zu. Der Gerichtsmediziner, der ihr folgte, fingerte aus seinem Rucksack einen mittelgroßen Silberdolch, den Marguerite verdutzt betrachtete.
»Was zum Teufel ist das denn, Marcel?«
Ein wenig beschämt zuckte er die Schultern. Seine These über den Urheber der Verbrechen und sein eigenes Geheimnis brachten ihn in immer peinlichere Situationen. Marcel, der das Doppelspiel langsam satthatte, nahm sich vor, der Kollegin bald reinen Wein einzuschenken.
»Du weißt, dass ich keine Pistole trage, und irgendetwas musste ich ja mitbringen, für alle Fälle. Außerdem«, log er, »kann ich ihn als Hebel benutzen und den Grabstein lösen oder an der Leiche zum Einsatz bringen …«
»Tu, was du nicht lassen kannst.« Marguerite hatte ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Gruft gerichtet. »Komm, beeilen wir uns.«
Drinnen begutachteten sie im Schein ihrer Lampen die verschiedenen Grabstellen unter ihrer dicken Schicht von Staub und Spinnweben, umrundeten die Falltür in der Mitte, bis sie endlich vor dem Grab von Luc Gautier stehen blieben.
Von draußen, von irgendwoher, war auf einmal ein angestrengtes, kaum unterdrücktes Keuchen zu hören, das die Stille durchbrach, und das kurze Knirschen von berstendem Glas.
* **
Capitaine Runné schlenderte durch die Friedhofsgassen und grüßte Bekannte und Grabnachbarn, denen er begegnete. Er erreichte das Gitter und starrte sehnsüchtig in die Dunkelheit und auf den Leuchtpfad, der sich in der Ferne verlor. Manchmal sah man in der Düsternis dort draußen die Silhouetten umherirrender Seelen; es waren die Seelen von Menschen, die nicht begraben worden waren und sich deshalb im Zwischenreich befanden.
»Capitaine.«
Runné drehte sich um. Charles Lafayette stand mit besorgter Miene vor ihm.
»Was ist los, Charles?«
»Wie ich sehe, weißt du es noch nicht. Irgendjemand hat in der Welt der Lebenden das satanische Ritual durchgeführt.«
Der Capitaine riss die Augen auf.
»Was hast du gesagt?«
»Ein lebendes Mädchen ist ins Reich des Bösen entführt worden. Die Zeremonie war erfolgreich.«
»Wer hat das gewagt?« Runné war wie vor den Kopf geschlagen.
»Denk an das, was unser junger Wanderer gesagt hat. Es muss der Vampir gewesen sein, er ist der Einzige, der das Wissen und die Macht hat, um so etwas zu tun. Aber wozu? Er hat sich nicht dem Wanderer genähert, sondern ein unschuldiges Opfer gesucht … das ergibt keinen Sinn.«
Runné dachte einen Augenblick nach, bevor er antwortete.
»Ich weiß nicht, Charles. Vielleicht handelt es sich um eine Opfergabe. Wenn du im Reich der Finsternis leben würdest, wolltest du da nicht auch deinen Herrn zufriedenstellen?«
Lafayette zuckte mit den Schultern. »Kann sein. Aber denk daran, dass der Vampir nicht mehr dort ist, sondern sich unter den Lebenden befindet.«
»Jedenfalls ist noch genug Zeit, um etwas zu unternehmen. Der Weg ins Reich des Bösen ist weit, also wird es noch eine Weile dauern, bis das Mädchen geopfert wird. Zuerst müssen sie sie ganz tief in die Finsternis hineinführen, und ein Wanderer kann ihr in dieses Gebiet folgen. Pascal könnte sie retten, sofern er dazu bereit ist.«
»Was schlägst du vor?«, fragte Lafayette.
»Wenn Pascal uns nicht bald wieder besucht«,
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