Puerta Oscura - 01 - Totenreise
Ziel erreichen.«
Pascal bemerkte eine gewisse Traurigkeit in den Augen des Capitaines.
»Du würdest mich gerne begleiten, stimmt’s?«, erriet Pascal. »Dann komm doch mit.«
Runné lächelte freundlich.
»Ich würde alles tun, um mitzukommen. Es wäre ein letzter Militäreinsatz für mich alten Soldaten, sehr reizvoll«, seufzte er. »Aber es geht nicht, ich bin keine umherirrende Seele, und außerhalb dieser Mauern bin ich verloren. Ich wäre nur eine Last für dich. Nein. Aber wir werden hier auf euch warten, und wenn du uns irgendwie brauchst …«
»Ja«, Lafayette war näher gekommen. »Man hat nicht oft die Gelegenheit, der Macht des Bösen einen Schlag zu verpassen. Du hast hier viele Freunde, Pascal. Du kannst weiterhin auf uns zählen.«
Auch andere kamen heran, um ihm Glück zu wünschen. Das Mädchen Marian küsste ihn mit ihren kalten Lippen auf die Wangen. Es wurde ein richtiges Verabschiedungskomitee daraus, alle wollten ihn wie zur Ermunterung berühren – doch auch, um seine warme Haut zu spüren.
Pascal, den ein wohliger Schauer überlief, war dankbar für diese Zeichen der Zuneigung und umarmte seinerseits alle, die sich von ihm verabschiedeten. Ein Gefühl der Verbundenheit kam in ihm auf und der Verlässlichkeit. Er wusste, hier an diesem Ort waren Wesen, die es gut mit ihm meinten.
»Das hier ist aber nicht der einzige Platz in dieser Zwischenwelt, auf den du zurückgreifen kannst«, sagte Lafayette. »Neuigkeiten verbreiten sich in Windeseile. Auf den Friedhöfen von Prag und Madrid oder dem von Highgate in London wissen alle von deinem Plan; selbst auf La Recolet a, einem vornehmen Friedhof in Buenos Aires. Auch bei den Toten funktionieren die Buschtrommeln.«
Pascal wusste nicht, was er sagen sollte. Die Welt der Toten stellte eine eigene Gemeinschaft dar, die seiner irdischen ähnlicher war, als er sich hätte vorstellen können.
»Du und Beatrice müsst nun gehen«, teilte ihm Runné mit und deutete in die Dunkelheit. »Eine echte Herausforderung erwartet dich. Sei tapfer.«
Pascal seufzte.
»Das werde ich sein, Capitaine.«
***
Vorsichtig öffnete Daphne die Tür. Der Flur war leer.
»Wie ist das möglich?«, fragte sich Dominique und rollte näher heran. »Bei dem Lärm, den wir veranstaltet haben …«
»Keine Ahnung«, erwiderte die Wahrsagerin und fragte sich im Stillen, ob sie vielleicht von irgendwoher Unterstützung hatten, von der sie nichts wusste. Und während sie dieser Gedanke bewegte, hatte sie ein bestimmtes Gefühl, etwas gab es hier, etwas, das dafür sorgte, dass sie von diesem Ort problemlos wieder verschwinden könnten. »Ich spüre eine unsichtbare Hand, die uns beisteht«, sagte sie zu Dominique und der sah sie fragend an. »Mehr weiß ich auch nicht.« Sie zuckte mit den Schultern. »Noch nicht«, fügte sie hinzu. Und nach einer kleinen Pause: »Nun gut. Dann lass uns jetzt endlich von hier verschwinden.« Sie klopfte sich ihr Kleid ab. »Schnell, wir sollten das Schicksal nicht überstrapazieren.«
Die beiden nahmen einen Aufzug und bewegten sich eilig in Richtung Ausgang.
Erst jetzt seufzte Marcel Laville erleichtert auf. Alles war verlaufen, wie er es erhofft hatte. Der Gerichtsmediziner ging über den Flur und betrat den Leichenraum.
»Meine Güte, die haben ganz schön gewütet«, dachte er. Er schloss von innen die Tür ab, damit niemand anders das Chaos sah. Er drehte die Belüftungsanlage weiter auf, um die letzten Reste des durchdringenden Geruchs und den verbliebenen Rauch zu vertreiben, und machte sich ans Aufräumen. Zum Glück waren die meisten Mitarbeiter schon nach Hause gegangen.
Er hatte die ganze Nacht, und es gab eine Menge zu tun.
30
IM BLASSEN SCHEIN der Leuchtpfade kamen Pascal und Beatrice gut voran, und da sie sich in der Mitte des Wegs hielten, blieben ihnen weitere unangenehme Begegnungen wie vor ein paar Stunden erspart. Hin und wieder sahen sie in der Ferne die eine oder andere umherirrende Seele, die die Hand zum Gruß hob.
»Kann ein Lebender sich von hier aus mit anderen Lebenden verständigen?«, fragte Pascal. Seit sie vom Friedhof Montparnasse aufgebrochen waren, überlegte er, wie es ihm wohl gelingen könnte, seine Freunde zu benachrichtigen, dass es ihm gut ging, dass er die erste Gefahr überstanden hatte … Sicher warteten sie jenseits der Pforte schon auf seine Meldung. Auch war er begierig darauf zu erfahren, was ihnen passiert war.
»Als Wanderer kannst du es tun. Aber du brauchst dazu ein Medium,
Weitere Kostenlose Bücher