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Pulverturm

Pulverturm

Titel: Pulverturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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genossen. Jedes Mal aufs Neue beeindruckt mich dieser Kontrast von glatter Wasserfläche und dieser Mächtigkeit der Berge dahinter … diese Unendlichkeit. Na ja, ich bin dann weiter Richtung Pulverturm. Von oben habe ich schon gesehen, dass da was liegt. Heute Morgen war wenig Nebel über dem See, und die Sonne schien schon kräftig.«
    »Um wie viel Uhr war das?«
    »Exakt um sieben Uhr dreißig. Ich habe auf meine Uhr gesehen. Ich bin dann ganz schnell zum Durchgang gelaufen und die Treppen nach unten. Ich habe den Mann nur einmal berührt, um den Puls zu fühlen, am Hals. Aber aufgrund der Temperatur war mir sofort klar, dass er tot war. Dann habe ich über Notruf die Polizei verständigt und oben gewartet. Ich habe nichts weiter berührt oder verändert.«
    Schielin wunderte sich über die klare Aussage. »Sie sind ein sehr präziser Zeuge, Herr Doktor Deeke.«
    »Ich war mal mit einer Rechtsmedizinerin zusammen, wissen Sie. Da bekommt man das eine oder andere mit, und es hat mich auch wirklich interessiert. Ich fand das spannend.«
    »Mhm. Sie gehen also jeden Tag hier spazieren?«
    »Ja. Jeden Morgen. Das Wetter muss schon sehr schlecht sein, dass ich es nicht bis zur Mauer schaffe und in die Schweiz hinüberschauen kann. Nach langen, anstrengenden Tagen gehe ich abends auch noch mal eine Runde.«
    »Kannten Sie den Toten, ich meine, sind Sie ihm schon einmal begegnet … bei einem Ihrer Spaziergänge?«
    Deeke schüttelte den Kopf. »Nein. Ist mir völlig unbekannt. Jetzt wo Sie mich fragen … es ist so, dass ich mir die Leute gar nicht anschaue, wenn ich hier unterwegs bin. Vielleicht hat das mit meinem Beruf zu tun.«
    Schielin wusste nicht, was er damit meinte, und ihm fiel im Moment nur die abgedroschenste aller Frage ein: »Ist Ihnen vielleicht sonst noch etwas aufgefallen?« Nach kurzem Überlegen verneinte der Arzt.
    Schielin dankte, überreichte seine Visitenkarte und verabschiedete sich. Deeke blieb sitzen, schloss wieder die Augen und wandte der Sonne sein Gesicht zu.

    Robert Funk stand vorne an der Ufertreppe und beobachtete zusammen mit Kimmel die Anstrengungen der beiden Bestatter, den Zinksarg, in welchem inzwischen Ottmar Kinker lag, nach oben zu schaffen. Kimmel wies die beiden nochmals energisch darauf hin, den Toten nach Memmingen in die Rechtsmedizin zu bringen. Es hatte da in der Vergangenheit schon manche Missverständnisse gegeben, und einen Leichnam suchen zu müssen, war nun wirklich das Letzte, was Kimmel wollte. Lydia stieß fast zeitgleich mit Schielin zu Kimmel, der in seiner gewohnt griesgrämigen Art wissen wollte, wie es nun weitergehen sollte.
    Schielin sah sich kurz um. »Mir wäre es recht, wenn uns Robert noch helfen könnte, die Befragung in den Büros hier durchzuführen. Hinter all diesen Fenstern muss es doch jemanden geben, der etwas gesehen hat, was für uns wichtig sein könnte. Es wundert mich eigentlich, dass da noch niemand von sich aus aufgetaucht ist. Gommert soll auf der Dienststelle den ganzen bisher zusammengekommenen Kram ordnen und die Adressen der Angehörigen ermitteln, oder ist das schon geschehen?«
    Kimmel schüttelte den Kopf.
    »Gut. Dann übernehmen wir die Verständigung, wenn wir hier fertig sind. Sollte inzwischen jemand unseren Toten vermissen, dann gebt uns Bescheid.«
    Vom Parkplatz war plötzlich Ronsards erschütterndes Schreien zu hören. Gommert kam sofort angesprungen. Schielin schüttelte den Kopf und meinte: »Der muss jetzt eben warten … ist kein Problem, kein Problem.« Obgleich es ihm absolut nicht recht war, Ronsard so verloren auf dem Parkplatz abgestellt zu haben.

    Direkt gegenüber dem Pulverturm befand sich der Eingang zum Westtrakt des ehemaligen Kasernengebäudes. Die Namenstafel gab Auskunft darüber, dass die modernisierten Räume von zwei Arztpraxen und zwei Firmen bezogen worden waren. Schöner konnten Büros nicht mehr liegen – Südseite und freier Blick über den See auf Säntis und Altmann.
    Eine Stunde lang zogen sie, jeder für sich, von Tür zu Tür, wiesen sich aus, berichteten in groben Zügen, was geschehen war, und stellten die üblichen Fragen, auf die sie die üblichen Antworten erhielten. Niemand, wirklich niemand konnte etwas berichten, was sie weitergebracht hätte.
    In den Praxen und Firmenbüros begannen die Ersten um halb acht am Morgen mit der Arbeit. Die Letzten gingen am Abend zwischen fünf und sechs. Länger blieb kaum jemand. Und keiner von denen, die sie befragten, war noch am Uferweg

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