Puppenbraut: Psychothriller (German Edition)
Street war, die sie jetzt ansteuern musste. Der Tag war noch jung, daher war ihr Erscheinen in der Schule zwischen den wuselnden Kindern sicher nicht besonders auffällig. Für weitere Gespräche mit Zoeys Eltern und Freunden war noch Zeit. Aus Erfahrung wusste sie auch, dass die Qualität ihrer Interviews besser wurde, wenn sie sich zuerst einen Eindruck von der Umgebung verschaffen konnte. Vor einem Gebäude, das Cassys Privatschule ähnelte, hielt sie an. Als sie die Tür ihres Wagens öffnete, fielen ein paar der ersten Blätter herein, die langsam den Herbst ankündigten. Trotz des wunderschönen Spätsommertages konnte sie plötzlich den Wandel der Jahreszeiten in der Luft wahrnehmen.
Im Eingang der Grundschule sprang ihr eine große Vitrine mit den selbst gebastelten Werken der Kinder ins Auge. ‘Warum sehen sich die Grundschulen immer so ähnlich?’, dachte sie überrascht. Der Geruch, der große Empfangsbereich, die schwere Eingangstür und diese Ausstellung erinnerten sie an eine längst vergangene Zeit. Wie von einem Magneten angezogen, ging sie in die Richtung, wo sie auch einen Teil, ein Werk oder ein Bild, von dem verschwundenen Mädchen zu finden erwartete.
Um Doreen herum wirbelten Kinder und verliehen ihr damit eine gewisse Anonymität und gleichzeitig eine Selbstverständlichkeit. Hier war sie ein Elternteil, keine Journalistin. Unterbewusst suchte sie bereits von Weitem nach dem bekannten Namen und ignorierte den Lärm.
Eine plötzliche Erkenntnis traf sie wie ein heftiger Stromschlag. Das Glas der Vitrine zog sie deshalb so an, weil es sie an das Foto von Zoey vom Aquarium erinnerte. Das kleine, zauberhafte Mädchen mit der an der Scheibe angelehnten Hand, das jetzt verängstigt auf sie wartete.
„Wunderschön, diese Werke, nicht wahr?“ Eine weiche, männliche Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie drehte sich um und sah einen attraktiven Mann, etwas jünger und wesentlich größer als sie.
„Ja, die sind wirklich schön...“, versuchte sie, ihre plötzliche Verwirrung zu kaschieren. Doreen mochte Situationen nicht, die sie nicht kontrollieren konnte, und diese war eine davon. Im gleichen Moment „erdete“ sie sich und setzte ihre journalistische Maske auf.
„Ist eins davon von Ihrem Kind?“, fragte der Mann freundlich. Plötzlich lächelte er ganz verlegen. „Entschuldigen Sie meine Neugier, doch ich bin ein Aushilfs-Hausmeister. Meine Aufgabe ist es, Fragen zu stellen, wenn ich Unbekannte bei uns treffe, seit der Vorfall mit einem Mädchen aus unserer Schule passiert ist. Eine üble Geschichte!!“ Eine unangenehme Pause entstand. „Übrigens, ich heiße Travis Carter. Wo bleiben denn immer meine Manieren?“
„Ich heiße Doreen Bertani.“ Sie entschied sich, bei ihrem Namen nicht zu lügen. „Ich wollte gerade meine Tochter in dieser Schule anmelden. Wir sind vor Kurzem nach Brooklyn umgezogen.“ Sie lächelte verführerisch. „Auf der Suche zum Sekretariat sah ich die Werke der Kinder und war wirklich fasziniert. Welchen Vorfall meinen Sie?“
„Es ging gerade durch die Medien. Wir schauen selten Fernsehen, doch meine Verlobte erzählte gestern, dass ein kleines Mädchen entführt wurde. Chloé, glaube ich... Oder so ähnlich... Wirklich übel! Welcher Mensch entführt kleine Kinder?“
„Das ist ja wirklich schrecklich!“ Diesmal brauchte Doreen noch nicht mal zu schwindeln. „Ist es in dieser Schule passiert?“
„Nein, Gott sei Dank nicht! Es war wohl auf dem Spielplatz im Boerum Park, doch genauer weiß es keiner!“ Travis Carter dachte kurz nach. „Ich wünsche mir auch Kinder mit meiner Verlobten, doch wenn ich an unschuldige, kleine Kinder denke, dann fühle ich mich gleich anders. Wie beschützt man ein Kind?“
‘Das frage ich mich auch!’, dachte Doreen und beschloss, das Interview zu beenden. Auf diese Art des Polemisierens des Problems hatte sie weder Lust noch Zeit. „Wollen wir hoffen, dass weitere Kinder in der Zukunft beschützt bleiben!“ Auf Doreens Plan stand ab sofort der Besuch auf dem Spielplatz, bevor sie Zoeys Eltern aufsuchen würde. „Können Sie mir sagen, wo ich das Sekretariat finde?“
„Aber selbstverständlich, liebend gern!“ Das Gesicht des Hausmeisters erhellte sich endlich. „Sie müssen diese Treppe hinauf. Auf der rechten Seite finden Sie es schon. Es war mir ein Vergnügen, mit Ihnen zu plaudern.“
„Ganz meinerseits. Und haben Sie vielen Dank für Ihre
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