Puppenbraut: Psychothriller (German Edition)
Moor blieb sie stehen, unfähig, die kleinste Bewegung auszuführen.
Doreen wollte aus Leibeskräften schreien, doch auch aus ihrer Kehle drang nur ein leises Röcheln. Während die zwei Silhouetten immer kleiner wurden, breitete die Dunkelheit ihre Arme aus, um sie im nächsten Augenblick für die Ewigkeit zu umschließen.
„Du hast das Kind mit dem Teufel gehen lassen! Verdammt sollst du sein!“, flüsterten die Stimmen um sie herum. Doreen konnte nicht sehen, woher sie kamen. Ihr Kopf - wie zuvor ihr Körper - gehorchten ihr nicht mehr. Der Tod hatte sie schachmatt gesetzt! Das Schicksal des unschuldigen Kindes war damit für immer besiegelt. Sie stieß einen Schrei gen Himmel.
Die Realität beorderte sie mit einem gnadenlosen Schlag zurück. In ihr Haus. In ihr Bett, wo Raffaella, in die gemeinsame Decke eingekuschelt, leise im Schlaf atmete. ‘Es war bloß ein Albtraum’, versuchte sich Doreen selbst zu beruhigen. Es gelang ihr nur schwer. Was sich für sie als schlechter Traum herausstellte, war für Amy Andrews schlichte Realität. Irgendjemand schien die Übergänge verwischt zu haben.
Doreen schaute hastig auf den Wecker. Fünf Uhr war deutlich zu spät, um sich nochmal vernünftig hinzulegen, und viel zu früh, um den Tag wie gewohnt zu beginnen. ‘Der Fall, Zoey Andrews, steckt in einer tödlichen Sackgasse’, ging es ihr durch den Kopf. Diese Tatsache versetzte ihr einen endgültigen Schub zum Aufstehen.
Das unregelmäßige Summen der aufgesetzten Kaffeemaschine in der Küche wirkte beinahe einschläfernd. Schon der Gedanke an den Kaffee wirkte geradezu brutal auf den leeren Magen. Aber sie musste ihrer Müdigkeit entgegenwirken.
Doreen ging die abgerufenen Mails auf ihrem Laptop in der gewohnten Routine des Tages durch. „Wie findest du die Platzierung deines Artikels für morgen, meine Sonne? Sieh mal im Anhang nach! Gruß Andrea.“ ‘ Der Artikel wird also erst morgen in der Zeitung erscheinen’, dachte sie zufrieden über die beabsichtigte Wirkung auf die Leser. Wenn man Andrea erst überzeugen konnte, dann hatte man die beste Chefredakteurin der Welt auf seiner Seite. Dann war auch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Artikel tatsächlich, wie vom Redakteur beabsichtigt, erscheinen würde.
„In fünf Tagen sechs Kilo abnehmen“ , ging sie die weiteren Betreffzeilen durch. In Gedanken schätzte sie ab, welche sie davon als Spam-Nachrichten markieren würde. Jeden Tag waren es an die hundert Mails, die ein Programm bereits zum Teil automatisch aussortierte. Täglich kamen aber auch neue dazu, die sie mechanisch ankreuzen musste. „Singles in deiner Umgebung“ , wieder Häkchen, „ohne Betreff“ , diesen Titel markierte sie zum Löschen. Irgendetwas erweckte dennoch ihre Neugier. Der Verfasser der Mail ohne Betreff hieß Alex0787 .
‘War der Name nicht so ähnlich wie der von dem Typen, der an Amy Andrews schrieb?’, dachte sie und sah nervös in ihrem Notizblock nach. Tatsache! Alex 0787 . Vollständig aufgeregt klickte sie die Mail zum Öffnen an. Sie enthielt keinen Text, sondern lediglich zwei Bilder, wovon das erste bereits als Nachricht integriert worden war.
Das Bild baute sich auf. Es zeigte Zoey. Es war genau dieses, das sie bereits auf ihren Flyer kopiert hatte. „Zoey und die Fische“, sagte sie fassungslos. Flüsternd, obwohl ihre Stimme in der morgendlichen Stille sicher unbeachtet verhallen würde. Das Bild war in schwarz-weiß, wie sie es selbst in ihrem Text eingebettet hatte. Und mitten auf dieser vertrauten Fotoaufnahme des kleinen, schutzbedürftigen Kindes befand sich ein rotes Kreuz.
Es sah aus, als wollte jemand die Existenz der Kleinen mit zwei unbedeutenden Strichen zunichte machen. Als wollte er unmissverständlich sagen, dass er das Tragen eines Babys von der Mutter in den schlaflosen Nächten, die dem Kleinen geschenkte Fürsorge der Eltern und deren geflüsterten Schlaflieder mit einer simplen Handbewegung auslöschen konnte.
Von Entsetzen gepackt, verweilte sie einen Augenblick, bevor sie das zweite Bild im Anhang öffnete. Der Absender hatte ihr eine sehr große Datei eingefügt. Vermutlich wollte er den Moment in seinem kranken Kopf genießen, wie sich das Bild langsam, aber stetig vor Doreens Augen aufbaute. Wie sie voller Entsetzen vor dem Computer saß, gebannt, zitternd, was nun auf sie zukommen würde. Und er sollte recht behalten.
Doreen verspürte wieder die sie jetzt immerzu begleitende
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