Puppenbraut: Psychothriller (German Edition)
Schützlinge zu übernehmen. Auf dem Weg zur Selbstständigkeit ihrer ehemaligen Babys verdrängten sie, dass ihre Kinder eigentlich Wesen mit eigener Ideologie waren. Jedes für sich erschuf seine subjektive Welt voller Magie, die mit der der Erwachsenen nicht immer kompatibel war. Diese Kinder, die mit einem Schlüssel um den Hals im Boerum Park herumliefen, waren eben nicht die „zu kurz geratenen Erwachsenen“, sondern Geschöpfe, deren Fantasie nicht annähernd ausreichend war, die menschliche Grausamkeit zu erfassen.
Gleichermaßen zur steigenden Anzahl der Kinder New Yorks wuchs auch die Population verschiedenartiger Hunde und ihrer Besitzer. Die Hundeführung im Park zu gestatten, sollte eine geschickte Lösung der Stadt sein, den Spielplatz zu einem öffentlichen Standort zu machen. Vielleicht sollte es lediglich den die Vierbeiner besitzenden Familien eine neue Perspektive bieten und somit den Boerum Park für sie attraktiver machen? Oder, was schauriger war, mehr Sicherheit bedeuten?
Noch in ihre Gedanken versunken, verspürte Doreen einen Schlag auf den Rücken. Als sie sich umdrehte, sah sie einen Jungen, der sie schuldbewusst anschaute. Das Kind sah schlampig aus und war vielleicht neun oder zehn Jahre alt.
„‘Tschuldigung!“, zischte er zwischen den lückenhaften Zähnen hervor und bückte sich, um seinen Ball aufzuheben.
„Nichts passiert!“ Doreen massierte sich leicht ihren Rücken. Diese bagatellisierende Aussage war maßlos untertrieben. Das tat höllisch weh, doch sie wollte es den Kleinen nicht wissen lassen.
Ihr fiel etwas ein. „Warte mal, ich will dich etwas fragen!“
Der Junge blieb verdutzt vor ihr stehen. „Siehst du dieses Foto hier?“ Sie zeigte auf das aktuelle Foto von Zoey, das ihr der Täter zugeschickt hatte. ‘Ein Hoch auf die heutige Technik, die erlaubt, das Bild sofort auszudrucken! Man weiß ja nie!’, dachte sie beiläufig.
„Ja, was ist damit? Coole Bräute!“
„Kennst du die Mädchen? Oder hast du sie irgendwo gesehen?“
„Nö. Ich bin selten dort drüben. Meistens spielen wir Fußball auf dem Bolzplatz. Auf dem Spielplatz, wo die Chicas sind, bin ich nie. Ist nichts für mich!“ Man hörte dem Jungen an, dass der Park für ihn ein zweites Zuhause war. ‘Wann hört bloß bei den Schlüsselkindern die Kindheit auf und der Ernst des Lebens beginnt?’, fragte sich Doreen.
„Außerdem spielen wir nie da, wo so viele Hunde laufen. Die rennen manchmal hinter dem Ball her. Und da drüben sind besonders viele Bänke und viele Köter. Das macht keinen Spaß!“
„Kev! Was ist los, Alter? Spielen, nicht quatschen!“ Die Stimmen der gereizten Freunde holten sie ein. Vor Kurzem wurde hier ein Kind entführt! Doch wen kümmerte das schon? Die Welt drehte sich weiter. Eine entsetzliche Vorstellung! Doch Jugend und Unbeschwertheit forderte ihren Tribut.
„Dann viel Spaß, Jungs!“, warf Doreen ein, ohne zu wissen, ob sie von den Kindern überhaupt wahrgenommen wurde. Erdrückt von den Gedanken nahm sie das Bild, das ihr diese Bestie über eine Mail zukommen ließ, und begab sich auf die Suche nach dem Ort im Park, aus welchem das Foto möglicherweise aufgenommen wurde. Glücklicherweise wurde die Aufnahme messerscharf geschossen. Man konnte sogar vereinzelt Blätter und Zweige der Bäume erkennen.
Als sie den ungefähren Winkel mit der Entfernung verglich, wurde ihr übel. Auf einer der Bänke saß tatsächlich Oliver Bradley, der Zeuge von Zoeys Entführung, mit seinem Giftzwerg Daisy. Er schaute in aller Ruhe über den Platz, als ob er über irgendetwas die Kontrolle behalten wollte. Obwohl sie sicher war, dass er ihre Anwesenheit bereits bemerkt hatte, ließ er sie es nicht wissen. Das gehörte zu seinem Spiel. Dem anderen seine Dominanz zeigen, indem er nicht auf seinen Gesprächspartner zukam. Sein Hund saß mit einem warnenden Blick auf des geliebten Herrchens Schoß. Doreen ließ sich die Chance dennoch nicht entgehen, den Mann erneut zur Rede zu stellen.
„Ja, ja... Die jungen Leute von heute!“, kommentierte er den Zusammenstoß mit dem Ball. „Kein Respekt vor Erwachsenen!“ Ihm fiel offensichtlich nicht auf, dass er sich dadurch verraten hatte. Ihre Anwesenheit war ihm ganz offensichtlich in keinem Detail entgangen.
„Ach was! Das kann immer passieren“, bagatellisierte sie es gelassen, “schließlich stehe ich auf einem Spielplatz. Guten Tag, Herr Bradley!“
Je
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