Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Puppengrab

Puppengrab

Titel: Puppengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Brady
Vom Netzwerk:
stehen deswegen gerade vor Gericht. Es spielt also keine Rolle, wie sehr du dir wünschst, dass diese Elizabeth Denison unseren Mörder kennt. Ich kann sie auf keinen Fall beschuldigen, dass sie da irgendwie mit drinhängt, bis ich mir nicht absolut sicher bin. Und außerdem«, ergänzte Rick und warf einen Blick die Straße hinunter, »sieh dich doch nur um. Ich wette zehn Mäuse, dass keine Frau hier in Heilewelthausen auch nur den Schimmer einer Ahnung hat, was Mord überhaupt ist.«
    »Wette angenommen«, antwortete Neil und folgte Ricks Blick zu Elizabeth Denisons Haus. Mit seiner buttergelben Fassadenverkleidung wirkte es anheimelnd. Im Garten blühten Azaleensträucher, und auf der Veranda hingen drei Farntöpfe. Das Haus passte gut zu der zierlichen, hübschen Frau auf dem Foto ihres Führerscheins.
    Doch all das rief Neil nur Regel Nummer drei ins Gedächtnis:
Die Dinge sind nie so hübsch und ordentlich, wie sie scheinen.

[home]
    4
    Denver, Colorado
1694  Meilen entfernt
    A ls er sie das erste Mal sah, wusste Chevy, dass sie sein nächstes Opfer sein würde: Sie parkte ihren Neunzig-irgendwas Buick LeSabre in Reihe zwölf auf Parkdeck F, das ein gutes Stück vom Eingang des Fuller-Krebszentrums entfernt lag. Sie trug einen langen Bauernrock und Clogs, und sie ging langsam, in Gedanken versunken. Dass sie mit dem Handy telefonierte, während sie zum Eingang lief, gefiel Chevy besonders gut. Doch letztlich war es der bunte Turban, der sie als Chemo-Patientin auswies, der ihr Schicksal endgültig besiegelte.
    Ja, sie war die Richtige.
    Adrenalin brandete durch seinen Körper. Chevy richtete sich auf. Er hätte sie sich am liebsten gleich genommen. Sie war nur knapp dreißig Meter entfernt und kam immer näher. Doch es war gerade einmal halb fünf am helllichten Nachmittag. Und mit jeder Sekunde, in der er abwog, ob er jetzt oder später zuschlagen sollte, entfernte sie sich wieder von ihm und näherte sich der vorübergehenden Sicherheit des Patienteneingangs. Er wartete fünf Sekunden zu lange und schlug dann aufs Lenkrad ein.
    »Was ist los?«, fragte Jenny. Sie hatte auf der Rückbank gedöst.
    »Zu riskant. Ich muss warten.«
    »Angsthase«, neckte sie ihn, doch Chevy war nicht zu Spielchen aufgelegt. Er drehte sich zu ihr um, eine scharfe Antwort auf den Lippen, doch ihr Gesichtsausdruck ließ ihn innehalten. Sie sah bleich und ausgemergelt aus. Die Augenhöhlen schienen noch tiefer zu liegen als sonst. Das Reisen strengte sie an. Erst die Strecke von Seattle hierher, dann die Warterei auf Chevy am nächsten Tag, während er sich in Boise um alles gekümmert hatte. Sie hatten einen ganzen Reisetag verloren, an dem er sein Konto geräumt, sein Tresorfach geleert und dafür gesorgt hatte, dass die Puppen zum richtigen Zeitpunkt verschickt wurden.
    Doch jetzt waren sie in Denver, und es ging voran. Beth Denisons zweites Geschenk war gerade im Krebszentrum verschwunden.
    Chevy zog ein Foto von Beth aus der Brusttasche. Es war abgegriffen, und weil er es aus einem Antiquitätenmagazin gerissen hatte, ging ein Riss quer über ihren Ellbogen. Und die Papierfalten markierten ihren Körper wie das Fadenkreuz eines Gewehrs. Doch das Gesicht war klar zu erkennen, und Chevy lächelte, weil er wusste, dass sich auf ihrer hübschen Wange ein Andenken an ihre gemeinsame Zeit befand. Während all der Jahre im Knast hatte er sich gefragt, ob sie sich an ihn erinnerte. Die Narbe verriet ihm, dass es so sein musste – jedes Mal, wenn sie in den Spiegel sah.
    Er schloss die Augen, drehte den Autoschlüssel herum, ohne den Wagen zu starten, und drückte die Start-Taste des eingebauten Kassettenrecorders.
    »Du Schwein … ich verstehe nicht.«
Ein Keuchen.
»Nein!«
Stockende Atemzüge.
    Ihre Panik liebkoste ihn wie die Hände einer Geliebten. Es war der Anfang ihres wohlverdienten Leidens.
    Stop. Zurückspulen. Play.
    »Du Schwein … ich verstehe nicht.«
Ein Keuchen.
»Nein!«
Stockende Atemzüge.
»W-wie?«
    Stop. Zurückspulen. Play.
    »Chevy?«
    Jennys Stimme holte ihn in die Realität zurück.
    »Wirst du sie wieder anrufen?«, wollte sie wissen.
    »Geht nicht«, sagte er. Er machte den Kassettenrecorder aus und holte tief Luft, um die Härte zu lösen, die sich zwischen seinen Beinen gebildet hatte. »Noch nicht. Du weißt doch, dass ich das Handy von Lila Beckenridge loswerden musste.« Chevy sah in Richtung der Tür, durch die die Frau mit dem Turban verschwunden war. »Aber es wird nicht lange dauern, bis ich

Weitere Kostenlose Bücher