Puppengrab
Rick stehen. »Hey, was sagt der dreibeinige Hund, als er den Saloon betritt?« Sie stemmte die Fäuste in die Hüften und bemühte sich augenscheinlich um eine John-Wayne-Pose. »Ich suche den Kerl, der mir meine Pfote weggeschossen hat.«
Als Rick laut lachte, hätte Neil am liebsten eingestimmt. Das überraschte ihn.
»Hey«, unterbrach Ms. Denison sie, »und was passiert mit dem kleinen Mädchen, das seiner Mutter nicht gehorcht?«
»Schon in Ordnung«, sagte Rick, während Abby mit den Schultern zuckte und in Richtung Hintertür trottete. »Ich kann neue Witze immer gut gebrauchen. Mein Sohn ist neun Jahre alt und findet sich zum Brüllen komisch.« Kinderwitze, Mr. Auch-ich-bin-Vater. Ja, genau darin war Rick richtig gut.
»Wird es lange dauern?«, fragte Ms. Denison. »Ich kann das Möbelstück nicht lange hier draußen stehen lassen.«
»Es ist eine Queen-Anne-Aufsatzkommode!«, riefAbby von der Hintertür aus. »Ganz viel wert, wenn Mr. Waterford recht hat, aber Mommy sagt, dass er uns nach Strich und Faden bel…«
»Abby!«
Waterford.
Neil legte gedanklich eine Liste an. Namen mussten überprüft und Spuren verfolgt werden. Immerhin funktionierte sein Instinkt noch ganz gut. Die zweite Überraschung.
Eine unmögliche Kombination aus Collie, Husky und Was-auch-immer kam angestürmt, und Abby kreischte. Der Hund lief von einem zum anderen, schnüffelte alles ab und umkreiste Abby dann, bis sie das magische Wort »Keks« aussprach und beide ins Haus gingen.
»Cooler Wachhund«, schleimte sich Rick weiter ein und setzte nach: »Nein, wir brauchen nicht lange.«
»Na gut.« Während sich die Frau nach etwas auf dem Rücksitz des SUV streckte, musterte Neil sie eingehend. Sie war zierlich, trug eine Jeans, Nike-Turnschuhe und ein weißes T-Shirt. Darüber eine dieser flauschigen Sweater-Jacken mit Reißverschluss, die man am liebsten spontan anfassen würde. Sie war schlank und sehnig wie eine Sportlerin. Das dunkle Haar fiel ihr über die Schultern, und ein paar unregelmäßige Ponyfransen standen ihr vom Kopf ab, als sie die Sonnenbrille nach oben schob. Während sie sich mit einem Kinder-Baseball-Set in der Hand umdrehte, fiel ihr die Sonne ins Gesicht.
Neil blinzelte. Eine Narbe in der Form eines knapp vier Zentimeter langen Strichs zog sich über ihren Wangenknochen, was ihrer Attraktivität keinen Abbruch tat, da die Narbe weder auffallend noch verwachsen war wie seine. Sie verlieh ihr eher Tiefgang und Charakter. Erzählte eine Geschichte.
Elizabeth Denison drückte auf einen Knopf, und das Garagentor öffnete sich. Die Garage, ursprünglich groß genug für zwei Autos, war zu einem geräumigen Zimmer ausgebaut worden, das hell erleuchtet war. Der Raum stand voll mit … Sachen. Das war das einzige Wort, das Neil dazu einfiel. Möbel, Geschirr, Körbe, Spielsachen, Steppdecken, Kisten. Bücher und Zeitschriften stapelten sich auf einer Anrichte, und in dem Tintenstrahldrucker, der sich neben einem Computer befand, lagen mindestens zwanzig Ausdrucke im Ausgabefach. Auf der obersten Seite war das Bild einer altmodischen Puppe zu sehen. Daneben lag das Original in einer halbgeöffneten Kiste, deren Aufkleber verrieten, dass sie gestern von UPS geliefert worden war. Die Puppe lag in einem Bett aus Zellstoffpapier und Styroporflocken, den Blick starr gegen die Decke gerichtet.
Neil hob sie auf. Sie war etwa vierzig Zentimeter lang, hatte seidiges Haar und blickte ihn mit einem penetranten Starren aus weit aufgerissenen Augen an. »Antiquitäten«, sagte Neil. »Sind Sie Antiquitätenhändlerin?«
»Ich arbeite als wissenschaftliche Beraterin bei Foster’s Antiquitäten. Möchten Sie wissen, was meine Untersuchungen über den Wert der Puppe, die Sie gerade in den Händen halten, ergeben haben?«
Neil zog eine Augenbraue hoch. »Sechs Monatsgehälter?«
»Ich bezweifle, dass Sie so gut verdienen.«
Neil musste sich ein Lächeln verkneifen und legte die Puppe wieder hin. Elizabeth Denison kam heran und schob sie noch ein wenig tiefer in die Kiste zurück. Es war eine merkwürdige Schutzgeste, und Neil fühlte einen Hieb in der Magengrube, als er ihre Hände sah.
Er ließ den Blick über ihren Hals, Nacken und ihr Gesicht wandern. Betrachtete jede Stelle ihrer Haut, die er sehen konnte. Doch unter ihrem Make-up waren keine Blessuren zu erkennen, sie hatte keine Kratzer oder Schrammen, die von einem Kampf stammen konnten. Da waren nur die frischen Schürfwunden auf ihren Fingerknöcheln. Er
Weitere Kostenlose Bücher