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Purgatorio

Purgatorio

Titel: Purgatorio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tomás Eloy Martínez
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LP s der Beatles und von Sui Generis. Emilia liebte
Michelle
und bat Simón immer wieder, das Lied abzuspielen.
    Als sie sich vor dem Feuer hinlegten und Simón sie auf den Hals küsste und mit den Fingerspitzen nach ihren Brüsten tastete, erstarrte sie. Kalter Schweiß nässte ihr die Bluse. Andere Male, noch vor kurzem, hatte sie sich hingebungsvoll liebkosen lassen und seine Hände in den Slip geführt, damit er die Feuchtigkeit ihres Verlangens spüre. Dann hatte sie das Gefühl, auch die Lippen da unten sprächen und der ganze Körper gebe laszive Sätzchen von sich, aber in dieser Hochzeitsnacht hatte sich ihre Vagina verschlossen, und die Schenkel waren Glassäulen.
    Du brauchst nicht nervös zu sein, das macht doch nichts, sagte Simón. Lass uns einfach so daliegen und noch etwas Musik hören. In dieser Wohnung gibt es drei Schlafzimmer. Wenn du lieber allein bist, können wir in getrennten Betten schlafen. Es ist ja nur eine Nacht. Wir haben noch alle Nächte des Lebens vor uns.
    Ich möchte weiter
Michelle
hören, sagte Emilia. Ich fühle mich gut. Es ist nur die Nervosität. Das geht wieder vorbei. Ich bin nervös, weil ich dich zu sehr liebe.
    In den folgenden Jahren sollte sie sich oft an diesen heuchlerischen Satz erinnern. Paare sagen sich die ganze Zeit heuchlerische, verbrauchte Sätze. Es stimmte, dass sie Simón in diesem Moment liebte, aber ihre Liebe war unwichtig. Das einzige Gefühl, das sie wirklich beherrschte, war die Ungewissheit, als ob sich die Welt aus ihrem Leben zurückzöge und keine Substanz, kein Geruch oder keine Landschaft noch dieselben wären wie vorher.
    Ich mag
Michelle
nicht mehr hören, korrigierte sie sich. Es macht mich traurig.
    Du bist traurig?
    Nein, wie kommst du drauf? Das Lied ist traurig.
    Um diese Zeit lief im Fernsehen eine Humorsendung, und Simón sagte, wenn sie sich auf etwas anderes statt auf sich selbst konzentrierten, könnten sie sich vielleicht wieder so fühlen wie vorher als Liebespaar. Sie könnten sogar vergessen, dass sie allein wären. Er schaltete die Musik aus und den Fernseher an. Es erschien die Totale eines sehr blassen Komödianten, der eine enge schwarze Badehose trug. Er saß in einem Käfig auf einem Haufen Stroh und zeigte seine trostlos hervorstehenden Rippen. Aus den Ställen, die man im Hintergrund erkennen konnte, stiegen Gebrüll und Geheul auf. So war der Komödiant zwar der sichtbare, aber der am wenigsten attraktive Teil eines zoologischen Spektakels – die Menschen gingen verächtlich an ihm vorbei, ohne ihn anzuschauen, und nur an den Löwen und Affen interessiert. Dazu veränderte sich im Rhythmus an- und ausgehender Lichter der Kalender des Hungerns auf der Tafel vor dem Käfig:
Schon
35
 Tage,
Schon
40
 Tage
usw.
    Simón machte sie darauf aufmerksam, dass sie eine komische Version von Kafkas Erzählung
Ein Hungerkünstler
sahen. Immer wenn das Licht anging, näherten sich dem Hungerkünstler weniger Leute. Die Besucher mieden seinen Käfig und machten einen Umweg, um die Tiere dahinter zu betrachten. »Holt mich hier raus! Quält mich nicht!«, rief der Schauspieler. Die Lichter gingen aus, und nach dem schwarzen Aufblitzen auf dem Bildschirm erschien eine weitere Tafel:
Schon
62
 Tage
, untermalt von einem lachenden Chor aus der Konserve. Simón, der an die Erzählung dachte, sagte zu Emilia, in Kafkas Version sei der Hungerkünstler stolz auf seinen Rekord und bleibe in seinem Käfig, weil er nicht gern esse. Seltsamerweise entwickelte dieses Programm eine noch kafkaeskere Variante. Am Tag 73 trat ein Wärter hinzu, untersuchte verächtlich das feuchte Stroh, stocherte mit einer Stange nach dem Komödianten und hielt, da er ihn nicht sah, die Ohren ans Gitter. Eine kindliche, fast unhörbare Stimme war aus dem Stroh zu vernehmen: »Holt mich hier raus! Ich verschwinde langsam!« Und wieder hörte man den Lachchor. Schließlich fuhr ein Lastwagen mit einem ungeduldigen Panther vor. »Da haben wir einen leeren Käfig«, sagte der Fahrer. »Machen wir ihn sauber für dieses Tier.« Von dem nicht vorhandenen Parkett aus versuchte man ihn zu warnen: »Nein! Hier nicht! Da ist ein Hungerkünstler!«, aber andere Stimmen übertönten sie: »Doch, doch, bringt den Panther dahin! Er soll ihn auffressen!« Der Lastwagenfahrer stemmte die Arme in die Hüften und sagte: »Und der Hungerkünstler? Ich will ihn sehen!« Dann öffnete er den Käfig, ergriff eine Heugabel und warf das schmutzige Stroh auf den Erdboden. Die Kamera

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