Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
fragen. Hol mir noch mehr warmes Wasser, bitte.«
Wo er nur blieb, schoss es ihr wieder einmal durch den Kopf. Zur Rosenblüte würde er da sein, hatten sie ausgemacht … Die Rosen aber blühten schon lange in voller Pracht.
Hatten Stürme dem Schiff zugesetzt, oder war ihm selbst etwas zugestoßen? Was er wohl in Antwerpen vorgefunden hatte? Ob er Erfolg in der Auseinandersetzung mit dem Advocaten gehabt hatte? Vielleicht hatte er ja sogar etwas wegen ihres Erbes erreicht. Ach, das Wichtigste war, dass er endlich zurückkam.
Rundherum hatte sich längst alles wieder beruhigt. Die Aufstände waren niedergeschlagen, die Sa’adier hatten sich ins Gebirge und in die Wüste zurückgezogen, und die Portugiesen waren auf ganzer Linie als Sieger hervorgegangen. So, als wäre nie etwas geschehen, verwalteten und regelten sie ihre Besitzungen entlang der Küste, zogen Steuern und Zölle von den Bauern und Händlern ein und hoben Soldaten aus. Alles wie eh und je.
Eines aber wusste sie gewiss, das hatten sie die letzten Monate gelehrt: Für sie war nichts mehr wie eh und je.
Nicht nur war ihr geliebter Abu gestorben, von dieser schlimmen Erfahrung abgesehen gehörten auch die Träume und Sehnsüchte ihrer Kindheit endgültig der Vergangenheit an. Sie war mittlerweile eine erwachsene Frau, die bald Verantwortung für ein eigenes Kind zu tragen haben würde. Dieses Kind würde ihr Leben, aber sicher auch ihr Zusammenleben mit Miguel verändern.
Wenn er nur zurückkäme! Sie sehnte sich so sehr nach ihm, nach seinen lustigen Augen und starken Armen … Sorgfältig spülte sie die Seife von ihrer Haut.
Als sie erneut die silberne Wasserschale füllte, durchfuhr es sie wie ein Messer, und unwillkürlich schrie sie auf. Die Schale entglitt ihren Händen und polterte zu Boden. Ihr Bauch war plötzlich hart, als sei er aus Holz, und an ihren Schenkeln rann warmes Wasser herunter, das sich zu ihren Füßen in einer Pfütze sammelte.
Das Kind!
Sie wollte Cadidja zu Hilfe rufen, doch schon wallte ein neuer heftiger Schmerz auf. Er kam aus ihrem tiefsten Inneren und nahm ihr die Luft. Mirijam keuchte und krümmte sich, die Finger krallten sich um den Türholm, dennoch konnte sie sich kaum auf den Beinen halten. Sie stöhnte.
Langsam aber verging der Schmerz wieder, und vorsichtig richtete sich Mirijam auf. Das Kind, wollte es etwa jetzt geboren werden? Oh, wenn doch Aisha bei ihr wäre!
» Cadidja!«, rief sie. » Komm, hilf mir!«
Mirijam zitterte. Sie stand in der Tür des Hamam und stützte mit den Händen ihren schweren Leib. Was war nun zu tun? Sollte sie sich nicht irgendwo niederlegen? Was würde geschehen?
» Sofort, ich bin gleich bei Euch.«
Cadidjas Stimme drang kaum zu ihr durch, denn gleichzeitig gab es am Tor einen Tumult. Offenbar schlug jemand mit kräftiger Faust dagegen, rief und brüllte. Was war da los?
» Öffnet das Tor!«, verstand sie plötzlich.
Ihr Herz setzte ein paar Schläge aus.
» Moktar, du tauber Kerl, mach auf. Budur, zum Donnerwetter! Hört denn keiner?«
Miguel! Das war doch Miguels Stimme!
» Der Kapitän ist zurück und will zu seiner Frau!«
» Miguel«, rief sie, » Miguel, endlich. Unser Kind kommt!« Sie lachte. » Miguel!« Rasch wickelte sie sich in ein großes Tuch und wollte ihm entgegeneilen. Aber wenn nun eine neue Schmerzwelle sie packte? Besser sie blieb, wo sie war.
Miguel war zurück! Jetzt würde alles gut werden, alles. Woher diese Gewissheit kam, wusste sie selbst nicht, dennoch war sie erfüllt von Zuversicht. Sie hörte seine Schritte und sein Rufen näher kommen.
» Mirijam, wo steckst du? Antworte, so antworte doch!«
» Hier! Ich bin hier!« Sie weinte und lachte zugleich und wäre am liebsten in seine Arme geflogen.
Dann war er plötzlich da. Langsam kam er den Gang entlang. Als er sie jedoch erblickte, ließ er seine Krücken fallen und humpelte rasch zu ihr. Und endlich lagen sie sich in den Armen. Mirijam schmiegte sich an ihn.
» Oh Miguel, wie habe ich auf dich gewartet! Wo warst du nur so lange? Wieso gehst du an Krücken? Bist du verletzt?«
Im nächsten Augenblick aber schrie sie laut auf und riss sich aus seinen Armen. Wie schon zuvor zwangen sie unerträgliche Schmerzen, sich zusammenzukrümmen.
» Was ist? Was hast du? Bist du krank?«, brüllte Miguel. Er war kreidebleich geworden. » So sag doch etwas!«
Mirijam aber rang nach Luft und wimmerte. Mit einer Hand winkte sie ab, mit der anderen stützte sie sich auf den Hocker. Sie konnte
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