Purpur ist die Freiheit 01 - Das Leuchten der Purpurinseln
Stempeln. Sie würden den Pedanten und pinseligen Federfuchsern der Stadt reichlich zu tun geben, und letzten Endes würden sie natürlich eindeutig beweisen, wer in Wahrheit rechtmäßiger Nachfolger vom alten van de Meulen war. Miguels Ansprüche, die er in Mirijams Namen vortrug, waren schließlich hieb- und stichfest!
Unwillkürlich tastete er nach dem Messer. Heute Morgen erst hatte er beide Schneiden neu geschliffen und dabei besonders sorgfältig die Blutrinne sowie die Spitze bearbeitet. Mit jedem Abziehen und mit jedem Wassertropfen, der den Stein befeuchtete, war seine Empörung gewachsen. Und je schärfer und blanker die Klinge wurde, desto mehr steigerte sich seine Wut auf diesen Cohn, bis sie ihm schließlich fast ein Loch in die Eingeweide brannte. Dabei ging es nicht allein um Mirijam und ihre Schwester Lucia. Wie er wusste, hatte der Gauner schon Jahre zuvor in Spanien, als angeblicher Fluchthelfer, für Gold gemordet. Vermutlich kannte niemand alle Verbrechen, die der Kerl auf dem Gewissen hatte!
Und so hatte Miguel die Klinge für jeden Mord und für jede falsche Münze, für jedes Schiff, das Cohn an die Piraten ausgeliefert hatte, einmal extra über den Schleifstein gezogen. Und das mit Genuss. Ging es nach ihm, gab es für diesen Mann nur eine Art von Strafe: Blut für Blut.
Gemächlich überquerte Miguel den Grote Markt. Es hatte erneut leicht zu regnen begonnen, und obwohl er seine wärmsten Kleider trug, fror er erbärmlich. Anmerken ließ er sich das jedoch nicht.
Der Marktplatz war verlassen bis auf drei Gestalten, die einige Schritte vor ihm soeben um die Ecke bogen. Es waren seine Leute, Matrosen der Santa Anna. Seine Männer würden für ihn notfalls durchs Feuer gehen, das wusste er genau.
An einer Hauswand lehnte Lúis, der leicht erregbare Bootsmann. Er nickte ihm unauffällig zu, lüftete kurz seinen Umhang und gewährte Miguel einen Blick auf den soliden Knüppel, den er darunter verbarg. Ein Stück weiter, an einem Durchgang neben dem van-de-Meulen-Haus, versteckte sich der maurische Rudermaat, gerüstet mit Messer und Stricken, die er um den Leib gewickelt hatte. Jorge, der Schiffszimmermann, drückte sich mit zwei seiner Matrosen unter die Arkaden des Nachbarhauses. Aus dieser Falle konnte nicht einmal eine Ratte entkommen.
Es war so weit, jetzt war der Advocat dran. Miguel hatte plötzlich einen trockenen Mund. Er konnte es kaum erwarten, den Betrüger unter seinem blanken, scharfen Messer winseln zu sehen. Er hob gerade die Hand zu dem schweren Türklopfer, als die Tür aufschwang.
Medern stand vor ihm, blass und übernächtigt. » Ich habe Euch durchs Fenster gesehen und … Warum …? Ich meine, ist etwas geschehen?« An Miguel vorbei spähte er auf die Straße. » Oder habt Ihr bereits die Büttel mitgebracht?« Er flüsterte und schaute immer wieder unruhig zurück über die Schulter ins Dunkel des Hauses.
Miguel schüttelte den Kopf. » Was zum Teufel hält Euch eigentlich immer noch in diesem Haus?« Unwillkürlich hatte auch er die Stimme gesenkt.
» Ich passe auf, dass er sich nicht davonmacht. Außerdem will ich dabei sein, wenn er abgeholt wird.« Erneut warf Medern einen Blick ins Hausinnere.
Miguel vergewisserte sich noch einmal, dass seine Männer auf ihren Posten standen. Dann straffte er seine Schultern und sagte laut zu dem Schreiber: » Habt die Güte, mich Eurem Herrn zu melden.«
Medern führte ihn durch eine muffig riechende Halle. » Der ahnt nichts, war seit gestern nicht mehr aus dem Haus!«, raunte Medern ihm noch zu.
Miguel nickte, das klang ganz nach einer gelungenen Überraschung. Innerlich rieb er sich bereits die Hände. Weiter ging es in das Kontor. Der Raum war spärlich möbliert, und der Kamin qualmte. An einem Pult in der Nähe der Fenster hatte Medern offensichtlich bis eben gearbeitet, und im rückwärtigen der beiden Räume erhob sich hinter einem Schreibtisch eine hagere Gestalt. Es war der Mann, den er beim Verlassen des Hauses gesehen hatte, Advocat Jakob Cohn.
Alles an ihm war schwarz, Gewand, Haare und Augen, alles schwarz. Lediglich der weiße Streifen einer schmalen Halskrause hellte das gefurchte Gesicht mit dem grauen Kinnbart auf. Einige Ringe von beträchtlicher Größe, die er an den Händen trug, brachten ein wenig Farbe in die düstere Erscheinung, namentlich ein auffällig großer gelber Diamant. Er war älter, als Miguel gedacht hatte, Anfang bis Mitte sechzig, schätzte er. Seine dunklen Augen schossen einen
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