Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
doch nach dem Sonnenstand zu urteilen, war ihre Zeit für heute um. Schon in Kürze würde der Wasserwächter erscheinen, um die Kanäle zu fluten. Danach begannen die langen Stunden ohne Marino. Sarah ordnete ihr Gewand. Marino unterbrach erneut die träge Stille. » Wo genau in Santa Cruz liegt eigentlich dein Vaterhaus?«
» Vom Hafen aus ein Stück den Berg hinauf. Dadurch sind wir oberhalb der Nebelbänke, die morgens über der Bucht liegen. Warum fragst du?«
» Demnächst segele ich nach Santa Cruz. Ich werde dich schmerzlich vermissen, cara. Ich mag gar nicht daran denken, dich einige Tage nicht sehen zu können. Aber es muss sein, Schiffsreparaturen und dringende Geschäfte, du verstehst?« Er seufzte. » Was denkst du, mein Herz, könnte ich womöglich …? Ach nein, lieber doch nicht.« Mit einer Handbewegung wischte der Kapitän seine Worte beiseite.
Seine Ankündigung traf Sarah unvorbereitet. Sie setzte sich auf. » Oh!« Sie spürte einen Kloß im Hals, nahm sich jedoch zusammen. » Was wolltest du fragen? Ob du in unserem Haus wohnen kannst?«
» Glaubst du, das wäre möglich?« Erwartungsvoll glänzten seine Augen auf. » Es ist nämlich so, ich müsste ein-, zweimal Gäste bewirten, wichtige Gäste, verstehst du? Und an Bord oder gar in einer Taverne, na ja, das wäre kaum die angemessene Umgebung.«
Ihre Mutter würde es nicht erlauben, dessen war Sarah sich sicher. Ja, wenn ihre Verlobung feststünde, dann natürlich, aber so? Im Nacken kitzelte ein Schweißtropfen, ein zweiter sickerte aus dem Haar, und plötzlich lief ein kleines Rinnsal Sarahs Rücken hinab. Es ging kein Lüftchen, kein Palmwedel rührte sich, und selbst die Wasseroberfläche in der Zisterne lag zu ihren Füßen wie ein Spiegel. Was sollte sie ihm antworten?
Marino hatte Sarahs Mienenspiel beobachtet. Jetzt sprang er auf, klopfte den Staub von seinem Gewand, drehte ihr den Rücken zu und schlüpfte in seine goldglänzende Uniformjacke.
» Grazie, ich verstehe«, sagte er kühl über die Schulter. Er schob das Kinn vor, schloss energisch die Knöpfe und zog die Ärmel zurecht, dann wandte er sich ihr wieder zu. Mit zusammengekniffenen Augen und schmalen Lippen musterte er sie von Kopf bis Fuß.
» Oh ja, ich verstehe«, brach es schließlich aus ihm heraus. » Zuerst beantwortest du meine Frage nach der Purpurfärberei mit dürren, gelangweilten Worten, und dann bin ich nicht einmal gut genug, in deinem Elternhaus zu wohnen. Mir kann man nichts vormachen, ich habe verstanden!«
» Marino, was redest du da? Ich habe nicht …, ich wusste nicht … Was ist nur mit dir?«
» Deine Mutter verabscheut mich!«
» Wie kannst du das sagen?« Auch Sarah sprang jetzt auf. Eben noch fühlte sie sich im Glück mit ihm vereint, und nun? Was war geschehen, was hatte sie falsch gemacht?
Marinos Brauen berührten sich beinahe über der Nasenwurzel. Er war wütend. » Glaubst du etwa, ich hätte es nicht bemerkt? Aber lass dir gesagt sein, ein Capello weiß, wann er willkommen ist und wann nicht.«
» Du irrst dich, bestimmt. Meine Mutter ist zurückhaltend, ja, das ist richtig, dabei aber herzensgut. Sie hat nicht die Offenheit meines Vaters, vielleicht denkst du deshalb, sie …« Sarah war verzweifelt. Marino beachtete sie nicht, er machte bereits Anstalten aufzubrechen. Sie griff nach seinem Arm. » Bleib! Marino, du darfst jetzt nicht gehen.«
» Oho, auch noch Vorschriften? Wie die Mutter so die Tochter, was? Alles hat nach eurer Nase zu gehen, ist das so? Bene, vielen Dank, wenigstens weiß ich jetzt Bescheid!«
» Nein, bitte, du verstehst mich falsch. Von mir aus kannst du natürlich gern in unserem Haus wohnen und deine Gäste bewirten, das würde mich sogar über alle Maßen freuen. Und ich würde dir auch gern Mutters Färberezepte geben, sogar sehr gern, aber wir müssen sie zuerst fragen. Das tun wir gleich heute Abend, ja?« Sie klammerte sich an ihn, schaute ängstlich zu ihm empor und versuchte, in seinem Gesicht zu lesen.
Langsam entspannten sich seine Züge. » Ich weiß, gioia mia, du hältst zu mir. Wenn dem nicht so wäre …« Er legte seine Arme um Sarah, drückte sie an die Brust und hauchte einen flüchtigen Kuss auf ihre Stirn. » Signora Mirijam, sie kann mich nun mal nicht leiden, leugne es nicht.« Er riss sich von ihr los. » Natürlich verhält sie sich mir gegenüber höflich, sogar verbindlich, aber ist sie freundlich? Lässt sie mich zum Beispiel für ein paar Tage in ihrem Haus in Santa Cruz
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