Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
logieren? Nein, das wird sie nicht! Oder ein anderes Beispiel: Hat sie mich je auf ihre Insel mitgenommen? Oder mir etwas gezeigt oder mitgeteilt, etwas über ihre Manufakturen? Nichts dergleichen, kein Kniff, kein Trick, niente. Du weißt, was ich vorhabe, es wäre also äußerst hilfreich, mir etwas bei ihr abschauen zu können, sozusagen als Starthilfe. Sie aber macht ein Geheimnis aus jedem Handgriff. Dabei gehören ihre Rezepte doch dir ebenso wie ihr, oder etwa nicht? Bist du nicht ihre Erbin? Siehst du. Und nun noch das mit eurem Haus … Ihr habt eben beide kein Vertrauen zu mir. Bei meiner Seele, wie soll es denn unter diesen Umständen mit uns weitergehen?« Er hob die Hände und flehte zum Himmel.
» Doch, Marino, ich habe Vertrauen zu dir.«
Seine umwölkte Stirn entspannte sich. » Tatsächlich?«
» Aber ja doch«, strahlte sie ihn an, » grenzenloses sogar. Das ist überhaupt keine Frage. Soll ich es dir beweisen?«
» Beweisen? Ach, ragazzina mia, welchen Beweis gibt es schon für Liebe?«
Sarah musste nicht überlegen. Die Färberezepturen wusste sie auswendig, schließlich waren sie ihr seit Kindesbeinen vertraut. Sie kannte alle Finessen und kleinen Handgriffe der Färbekunst. Außerdem hatte Marino recht, sie besaß ein natürliches Recht auf die alten Rezepturen. Irgendwann würde sie ohnehin alles erben, warum also nicht bereits jetzt darauf zugreifen, da es um die Erfüllung ihres Traumes ging? Und weil es ihr gemeinsames Leben betraf, hatte auch Marino in gewisser Weise ein Anrecht auf die alten Arbeitsunterlagen.
» Würdest du die Purpurrezepte als Beweis meiner Liebe gelten lassen?«
7
Joost Medern, stiller Teilhaber der Santa Anna Associação, schlug zufrieden die Kontorbücher zu. Seit Jahren schon mehrte sich sein Privatvermögen mit schöner Beständigkeit. Es wuchs nicht allein aus seiner Einlage bei Kapitän de Álvarez’ Handelsunternehmungen, die erfreulichsten Zuwächse hatte er dessen Gemahlin und ihren fabelhaften Produkten zu verdanken. Die feinen Baumwoll- und Seidenstoffe, die aus ihrer Färberei kamen, waren auch für ihn ungemein einträglich, zumal sie damit über eine nahezu unangefochtene Monopolstellung verfügte. Gebe Gott, dass sich dies niemals ändern möge, dachte er.
In seinem Alter benötigte er für sich selbst nicht viel zum Leben, obwohl er sein bequemes Haus oberhalb der Stadt und die Dienerschaft, die ihn umsorgte, durchaus zu schätzen wusste. Doch den größten Teil seines Einkommens ließ er seinem Neffen in Antwerpen zukommen, dem einzig verbliebenen Blutsverwandten in der alten Heimat. Diese Zuwendung allerdings war mit präzisen Auflagen verbunden und konnte bei Missachtung jederzeit widerrufen werden. Neben regelmäßigen Seelenmessen zum Heil seiner im Elend verstorbenen Familie und einer großherzigen jährlichen Spende zugunsten des Liebfrauenhospitals hieß das für den Neffen, zweimal im Jahr einen ausführlichen Bericht über die Lage in Antwerpen zu übermitteln, bei außergewöhnlichen Vorkommnissen sogar dreimal. Und wenn sich Medern Ausführlichkeit erbat, so bedeutete das, dass er nicht nur über allgemeine politische oder wirtschaftliche Entwicklungen, sondern auch über jedes möglicherweise bedeutsame Geschehnis Auskunft zu erhalten wünschte. Kapitän Miguel wie auch seine Frau wiederum spendeten regelmäßig an den Beginenkonvent in Antwerpen. Die beiden hatten selbst nach den vielen Jahren nicht vergessen, wem sie Miguels Genesung verdankten.
Seitdem es Medern vor zwanzig Jahren hierher an die afrikanische Küste verschlagen hatte, um die Bücher für Miguel de Álvarez zu führen, war er nicht mehr in der alten Heimat gewesen. Dennoch kannte er wie kein Zweiter die Nachrichtenlage zwischen Antwerpen, Amsterdam und Brüssel und wusste über die teilweise fragilen Beziehungen zwischen Kaiser und Papst, zwischen London und Paris, Mailand und Venedig bestens Bescheid. Natürlich zahlten sich seine Informationen auch für Kapitän Miguel und Lâlla Mirijam mit ihrer Tochter Sarah aus. Diese drei Menschen, die er von Herzen liebte, stellten seit Jahren so etwas wie seine Familie dar, und er rieb sich jedes Mal die Hände, wenn er sein Wissen zu ihren Gunsten einsetzen konnte. So nahm dank seines Geschicks auch ihr Wohlstand stetig zu.
José da Silva, einer der beiden Kontoristen, die nach dem Abzug der Portugiesen in Santa Cruz geblieben waren, unterbrach seine Gedanken. » Ein Venezianer, Patrão, eine Karavelle aus Venedig
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