Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Zeilen herauslesen können, dass er lediglich ein wenig phantasiert und ein paar Überlegungen angestellt hatte. Stattdessen war ein heilloses Durcheinander entstanden.
Ja, Sarah hatte sich in den schneidigen Kapitän verliebt, aber was bedeutete das schon? Das musste man nicht ernst nehmen, sie war schließlich ein junges Mädchen. Alle jungen Mädchen schwärmten mal für diesen, mal für jenen Mann, und solange man die Sache nicht dramatisierte, ging eine solche Liebelei vorüber wie ein Schnupfen. Außerdem war Capello schließlich abgereist, und zwar ohne ein Wort über Heirat. Kein Grund zur Aufregung also, schon in ein paar Wochen hätte sich alles wieder eingerenkt.
Vielleicht sollte er Sarah morgen zu einem Ausritt mitnehmen und ihr unterwegs von seinen Reiseerlebnissen erzählen? Dabei konnte er sicher das eine oder andere, das zwischen Mutter und Tochter in Schieflage geraten war, wieder ins Lot bringen.
*
» Sage nie, das kannst du nicht«, pflegte ihre Mutter früher zu ihr zu sagen, wenn sie sich ungeschickt angestellt hatte. » Was du wirklich willst, das kannst du auch.« Sie würde recht behalten, dachte Sarah und betrachtete sich im Spiegel. Ihre Züge waren angespannt, ihr Lächeln wirkte aufgesetzt, und gegen rotgeweinte Augen konnte man auf die Schnelle nichts ausrichten. Mit den Fingerspitzen strich sie über die Stirn und rieb ihre pochenden Schläfen.
Während alle im Haus Mittagsruhe hielten und glaubten, auch sie liege gemütlich auf ihrer Bettstatt, war sie zum hundertsten Mal mit sich zu Rate gegangen. Sie wusste um ihr stürmisches Wesen, weshalb ihre Mutter sie auch als Feuerkopf bezeichnete, und deshalb wollte sie alles in Ruhe überdenken und kühl entscheiden. Nun aber lagen alle Zweifel hinter ihr, und ihr Entschluss stand fest. Sie würde handeln, bald. Zuvor hatte Mama sie zu einem Gespräch gebeten.
» Ich möchte nicht wieder mit dir streiten, Sarah«, begann die Mutter. » Lass uns also bitte vernünftig reden. Meinen Standpunkt kennst du: Von mir aus brauchst du nicht so bald zu heiraten. Schon gar nicht, um uns mit einem Enkelkind zu beschenken, wie es dein Vater erhofft. Erstens sind wir noch nicht so alt, dass wir jetzt bereits ans Sterben denken müssten, und zweitens kannst du später einmal selbst unsere Geschäfte übernehmen. Das weißt du doch, nicht wahr?«
In der Studierstube roch es betäubend nach den Gewürznelken auf dem Tisch. Dazu kam eine drückende Wärme, die durch die zum Innenhof geöffneten Türen hereinströmte. Ihre Mutter saß hinter dem Tisch, neben der einen Hand ein Vergrößerungsglas, mit dem sie die Feinheiten der Nelkenfrucht untersucht hatte, die andere lag auf einem Stapel aufgeschlagener Bücher.
Eigentlich waren Mutter wie Tochter Streit und Unstimmigkeit zuwider. Dieses Mal jedoch musste die Auseinandersetzung bis zum Ende ausgetragen werden, das spürten sie beide. Sarah straffte die Schultern und schob das Kinn vor. Marino tat das häufig . » Und wenn ich das nicht will? Eure Geschäfte übernehmen, meine ich – was, wenn ich etwas anderes im Sinn habe? Dir war doch meine Selbstständigkeit all die Jahre angeblich so wichtig, und wie sieht es jetzt damit aus? Du willst mich doch nur bevormunden.«
» Niemand will dich bevormunden, Sarah, es geht einzig um die Sorge um dich. Und eines kannst du mir glauben: Es gibt ausgezeichnete Gründe, dir die Heirat mit einem Venezianer zu verbieten.«
Verbieten? Sarahs Brust krampfte sich zusammen, und das Blut wich aus ihrem Gesicht. Wenn Marino hier wäre, würde ihre Mutter anders reden. So aber musste sie das allein durchkämpfen. Und sie würde kämpfen. » Dann nenne sie doch!«, forderte sie. » Sage mir einen triftigen Grund, den ich nachvollziehen und verstehen kann.«
Mutters Augen bekamen einen eigentümlichen Ausdruck, und die Falte auf der Stirn wirkte, als sei sie eingemeißelt und würde sich nie wieder glätten können. Es tat beinahe weh, das zu sehen. » Wir bekommen nicht immer das, was wir uns wünschen, Kind.« Ihr Tonfall wurde belehrend. » Glaub mir: Du könntest neben ihm nicht bestehen, er würde dich binnen kürzester Zeit unglücklich machen. Und in Venedig wärst du allein. Du hättest keine Freunde, niemanden, der sich für dich einsetzen könnte, und wärst abhängig von ihm. Du weißt, der Zuzug nach Venedig ist beschränkt, und davon abgesehen können wir hier nicht einfach alles aufgeben und dir nachfolgen.«
Gerede, dachte Sarah, wie sollte er sie
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