Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
hatte er ihr vor der Abreise aus Taroudant klargemacht.
Während des stundenlangen Ritts hatte sie, dem Vorbild der Männer folgend, ihr mehari nicht mit den Lederriemen, sondern mit Hilfe ihrer nackten Füße auf dem langen, gebogenen Hals des Tieres gelenkt. Eine ungewohnte Anstrengung, da sie hierfür eigentlich nicht groß genug war. Sie musste sich ordentlich strecken, damit ihr Reittier überhaupt bemerkte, wenn sie ihm eine neue Richtung angeben wollte.
Obwohl sie vor kurzem ihr erstes tätowiertes Doppelkreuz als Schutzzeichen am Kinn erhalten hatte und obwohl sie in den letzten Monaten im Haus der Tante in Taroudant ein Stück gewachsen war, war sie für ihre dreizehn Jahre noch immer recht klein. Auch deshalb hatte ihr Bruder ihr eine erfahrene Stute gegeben, die sich durch nichts irritieren ließ und selbst wusste, wohin sie ihre Schritte setzen musste.
Unbekümmert um seine Schwester stützte er sich am Sattel auf und ließ seine Blicke umherschweifen. Das war ein guter Lagerplatz für die Nacht, dachte er zufrieden.
» Bleiben wir hier, Sîd i ?«, fragte Abdallah. Er war ein erfahrener Karawanenführer, der beste khrebir, den er sich denken konnte, und das trotz seines verkrüppelten Beins, dachte Saïd. Ein schlecht verheilter Kamelbiss vor etlichen Jahren hatte dazu geführt, dass Abdallahs Zehen verwachsen waren. Seitdem konnte sich der hagere Masir nur noch hinkend fortbewegen. Dennoch lief er mit seinem krummen Fuß schneller als manch anderer und stets an vorderster Position, und nur in Ausnahmefällen oder wenn sie so wie hier durch fruchtbare Gegenden zogen, ritt er eines der Kamele. Für die große Karawane, mit der sie in den Wintermonaten die Sahara durchquerten, um mit den schwarzen Fürsten jenseits des großen Sandmeeres Handel zu treiben, war Abdallah unersetzlich. Er kannte die Routen und die Wasserstellen so gut wie er selbst und war besonders geschickt im Umgang mit Nomaden, auf die sie unterwegs trafen. Saïd wusste, er konnte sich in jeder Lage auf ihn verlassen. Zudem handelte Abdallah stets besonnen, oft sogar klug, wie sich jetzt wieder zeigte. Denn obwohl er selbst sehr wohl beurteilen konnte, dass dies ein idealer Rastplatz war, überließ er ihm als dem Anführer die endgültige Entscheidung.
Noch einmal sah Saïd sich um. Dort der Schutz der Berge, hinter denen schon bald die Sonne versinken würde, hier die verwitterten Mauern, dazu einige Büsche, etwas Gras und eine Gruppe junger Palmen. Ein paar Schritte weiter ein Bach, über dessen Steine sogar zu dieser Jahreszeit noch reichlich Wasser aus den Bergen strudelte. Hier waren Menschen und Tiere leicht zu versorgen. Saïd nickte seinen Männern zu: » Ouacha, wir bleiben hier. Schlagt das Lager auf.«
Einer nach dem anderen brachte sein Tier zu Boden, stieg ab und begann mit seinen abendlichen Aufgaben. Zuerst mussten die Kamele entladen und gefüttert werden, danach erst kamen die Menschen an die Reihe, so war es seit alters her Brauch auf Reisen. Und obwohl sie erst seit zwei Tagen wieder unterwegs waren und die Gerüche der Stadt noch in ihren Nasen und Kleidern hingen, war doch jeder Handgriff bereits wieder vertraut. Sogar der halbwüchsige Omar, sein Schüler in diesem Jahr, der unterwegs Brennmaterial gesammelt und sein Lastkamel damit beladen hatte, kümmerte sich sofort um einen geeigneten Feuerplatz. Dafür war er zuständig, für das Feuer, das einfache Essen und für die Glut, in der das Brot gebacken wurde.
Mit dem Druck der Fersen und einem leisen Schnalzen gab Saïd seinem Kamel zu verstehen, dass seine Ruhepause noch nicht begonnen hatte. Er ritt ein Stück bergan.
Obwohl man nördlich des Gebirges keinen harmattan, den blutenden Wind, der unentwegt roten Sand herantrug, befürchten musste, schützte sich der junge Berber mit einem leuchtend blauen Schleier. Tief in die Stirn gezogen, bedeckte er nicht nur den Kopf, sondern auch Nase, Mund und Kinn. Nur die lebhaften, schwarzbraunen Augen waren zwischen den Tuchlagen sichtbar. Seine aufrechte Haltung wirkte trotz der weich fließenden Gewänder gebieterisch, beinahe arrogant, er jedoch war sich seiner Erscheinung nicht bewusst.
In dem Gebiet zwischen Oum Er’Rbiaa und Miknas, wo sich neben seinem Onkel etliche weitere Züchter angesiedelt hatten, würde er nach geeigneten Pferden für die große Karawane Ausschau halten. Es war eine gute Gegend, reich an Futter und Wasser, dazu kamen die nahen Berge und weiter östlich die Wüsten, wo die Tiere ihre
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