Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
Da steht es schwarz auf weiß.« Er deutete auf den Brief, der auf dem Teppich vor dem großen Bett lag.
Natürlich kannte Mirijam den Brief in- und auswendig. Kapitän Capello bat darin um Entschuldigung, weil er sie nicht erneut aufsuchen konnte, und gab als Grund für seine überstürzte Heimreise den traurigen Gesundheitszustand seines Vaters an. Gefällige Worte, schöne Schrift, ganz der Edelmann. Zunächst war sie erleichtert gewesen und hatte angenommen, damit sei die Sache erledigt. Das jedoch war eine Fehleinschätzung, wie sich herausgestellt hatte. Schon seit Wochen, seit ihrer Rückkehr nach Santa Cruz, ging ihr Sarah aus dem Weg.
» Und was, wenn sie darauf beharrt?«
» Aber nein, warum sollte sie? Es ist nichts als Neugier oder Abenteuerlust oder etwas in der Art, weshalb sie sich zu diesem Kapitän hingezogen fühlte. Das wird sich legen, du wirst sehen. Man darf ihr bloß nicht das Gefühl geben, sie an die Kandare nehmen zu wollen. Du machst das oft, obwohl du genau weißt, so etwas weckt bei unserer Tochter nichts als Widerstand und Trotz.«
Ach, Miguel glaubte also, der Fehler liege bei ihr. Dabei hatte sie zusätzlich zum Brief des Kapitäns ein Schreiben von Mederns Hand erhalten, in dem der kluge alte Fuchs sie auf einige Ungereimtheiten im Verhalten des Venezianers hinwies. Medern jedenfalls schien – anders als Miguel – ihre Vorbehalte durchaus zu teilen.
Miguel redete sich die Sache schön, ärgerte sich Mirijam. Zuerst setzte er mit seinem Brief damals eine Idee in die Welt, ohne die Konsequenzen zu bedenken, und dann wusch er seine Hände in Unschuld, sobald die Sache außer Kontrolle geriet. Er spielte Sarahs Ankündigung einfach herunter und legte sich aufs Ohr. Wie konnte er nur an Schlaf denken, wenn sie die Angelegenheit dringend mit ihm durchsprechen musste!
Glücklich hatte sie ihn vor ein paar Tagen wieder in die Arme geschlossen, von Herzen froh, ihn heil und gesund zu wissen. Wie immer, wenn er nach langer Abwesenheit zurückkam, mussten sie sich erst erneut aneinander gewöhnen. Das beunruhigte Mirijam allerdings schon längst nicht mehr, so war es von Beginn an gewesen. Insgeheim gefiel es ihr sogar, wenn Miguel nach Wochen der Trennung etwas fremd und verwildert nach Hause kam, durchdrungen von salziger Luft und mit diesem verwegenen Glitzern in den Augen. In den ersten Tagen – und besonders in den Nächten! – nach seiner Rückkehr konnten sie kaum die Finger voneinander lassen. Und das nach zwanzig Jahren Ehe. Mirijam lächelte. Sie genoss es zu sehen, wie das Haus auflebte, lauschte auf seine festen Schritte und die befehlsgewohnte Stimme, freute sich, ihm beim Essen gegenüberzusitzen, seinen Geschichten zu lauschen und die Gewissheit zu haben, ihn jederzeit sehen zu können. Dieses Mal kam noch hinzu, dass sie glaubte, sich endlich nicht länger allein mit Sarahs Hirngespinsten herumschlagen zu müssen.
Ohne über ihre eigenen Fehler hinwegzugehen, hatte sie Miguel erklärt, wie es überhaupt dazu hatte kommen können, dass dieser Venezianer Sarah den Kopf verdreht hatte. » Du musst mir glauben, ich habe vor lauter Arbeit nicht das Geringste bemerkt«, klagte sie sich an. In ihren Augen war es allerdings keine Entschuldigung, dass sie sich zu müde und ausgelaugt gefühlt hatte, weil sie immerzu an den Purpurbottichen gestanden und wahre Gebirge von Stoff- und Wollballen herumgewuchtet hatte.
Miguel versuchte, sie aufzumuntern. » Sarah ist kein Kind mehr, das auf Schritt und Tritt beschützt werden muss«, stellte er klar und nahm sie in den Arm, um sie zu trösten. Wahrscheinlich hatte er recht, versuchte sich Mirijam zu beruhigen. Doch was immer Miguel sich auch einfallen ließ, um sie zu entlasten, im Grunde ihres Herzens wusste sie: Sie hatte versagt. Er hingegen nahm die Sache wieder einmal zu sehr auf die leichte Schulter. Und nun schlief er auch noch!
Hatte er jedoch recht und es handelte sich bei Sarahs Ankündigung lediglich um Trotz, wie Miguel behauptete, dann war die Sache wohl wirklich bald ausgestanden. Zu gern hätte sie das geglaubt. Andererseits kannte sie den Eigensinn ihrer Tochter.
Derzeit wirkte Sarah wie ein wilder Vogel in einem engen Käfig, und nicht einmal Miguels Rückkehr hatte etwas daran geändert. Natürlich hatte sie sich gefreut, ihren Vater zu sehen, und ihn zärtlich wie immer begrüßt, doch schon nach kurzer Zeit strich sie wieder bedrückt durchs Haus, in sich gekehrt und still. Oder sie stand auf der Terrasse und
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