Purpur ist die Freiheit 02 - Die Perlen der Wueste
blickte über den Hafen aufs Meer mit einem Gesichtsausdruck, als sehne sie sich fort von hier. Selbst die kostbaren venezianischen Glasperlen, die Miguel für sie mitgebracht hatte, riefen nicht wie sonst stürmische Umarmungen des Dankes hervor.
Wenn man sie ansprach, musste sie sich besinnen, als käme sie aus weiter Ferne, und wenn sie erkannte, dass es ihre Mutter war, die sie aus ihren Träumen gerissen hatte, wandte sie den Kopf ab. Wie konnte sie ihrer Tochter klarmachen, dass sie sie lediglich vor Unglück bewahren wollte? Und dann dieses Strahlen auf Sarahs Gesicht, als sie erklärte, sie werde Capello heiraten … Mirijam hieb mit der Faust auf ein Kissen.
» Venedig!«, brach es laut aus ihr hervor. » Oh, wie konntest du ihr nur diese abwegige Idee in den Kopf setzen? Hättest du doch nie ein Wort davon geschrieben!«
Miguel öffnete die Augen. Er hatte nicht geschlafen, sein Blick war wach.
» Langsam, mein Herz, immer hübsch langsam.« Er erhob sich und fing an, auf und ab zu gehen. » Abwegig findest du die Idee? Bedenke, was es bedeutet, einen Fuß in Venedigs Tür zu haben. Ausländische Händler zahlen horrende Zölle und Steuern, sofern sie in Venedig überhaupt zum Handel zugelassen werden. Mit einem Schwiegersohn als Kompagnon aber, einem Adeligen noch dazu … Ach, was rede ich, das alles weißt du selbst sehr gut.«
Es fiel Miguel sichtlich schwer, seine Erregung zu zügeln. » Außerdem ist Capello in Venedig ein bekannter Mann mit exzellenten Verbindungen. Und er ist ein sehr guter Seemann, auch wenn dir das vielleicht nicht gefällt.«
» Nichts gefällt mir an ihm. Er ist zu glatt und zu flink mit seiner Zunge, ist in sich selbst und in seine Herkunft verliebt. Medern rät ebenfalls zur Vorsicht, er ist der Meinung, Capello sei ein Heuchler. Mehr noch, er sprach sogar von Lügen. Wie auch immer, jedenfalls würde sie mit ihm nicht glücklich werden. Wie soll sich ein behütetes junges Mädchen wie Sarah gegen einen Mann wie ihn behaupten?«
Jetzt explodierte Miguel. » Vielleicht will sie das gar nicht, sich behaupten? Sie ist nicht wie du. Womöglich sehnt sie sich sogar danach, in der Obhut ihres Mannes zu leben und sich von ihm leiten zu lassen?«
Mirijam wich das Blut aus dem Gesicht. Der alte Streit zwischen ihnen, ungelöst seit ihrer Heirat – wie konnte er ausgerechnet jetzt darauf anspielen? Sie fühlte sich schwer getroffen.
» Du würdest sie womöglich sogar einem Osmanen geben, der sie wegsperrt, wenn es dir nützen würde. Natürlich nur, falls er gut genug segeln kann!«
Noch während sie sprach, wusste sie, dass sie ihrem Mann Unrecht tat. Er wäre der Letzte, der seine geliebte Sarah um eines Vorteiles willen verkuppeln würde. Aber nun waren die Worte heraus und konnten nicht wieder zurückgeholt werden.
*
Miguel kippte den Wein in einem Zug hinunter und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. Zum Davonlaufen, die Stimmung zuhause, dachte er. Dabei hatte er sich riesig darauf gefreut, in aller Ruhe seine Schiffe zu überholen, die Reise abzuwickeln und die nächste vorzubereiten. Ansonsten wollte er nichts weiter, als gemeinsam mit Mirijam und Sarah einen ruhigen Sommer verbringen. Wenn er auch nur im Entferntesten geahnt hätte, was daraus entstehen könnte, hätte er nie im Leben diesen Brief geschrieben.
Eigentlich war das sowieso nur eine Gedankenspielerei gewesen. Sein Herz war voll gewesen, er hatte sich in Venedig wohl gefühlt, und die Schönheit der Stadt und ihr Reichtum hatten es ihm angetan. Und natürlich hatte er angenommen, wenn schon ihn die Eleganz der Venezianer und ihre Kultiviertheit beeindruckten, die das absolute Gegenteil zu den einfachen Lebensumständen hierzulande darstellten, würde auch Mirijam sich daran erfreuen können. Man bekam dort viele Anregungen, sah jeden Tag etwas Ungewöhnliches, traf Menschen aus allen Winkeln der Erde – so etwas musste Mirijam doch gefallen. Jedenfalls hatte er das angenommen. Und vielleicht hatte er auch ein klein wenig gehofft, sie noch einmal für etwas Neues interessieren zu können. In Venedig gab es nicht nur den Hafen, große Handelshäuser und zahllose Manufakturen. Darüber hinaus gab es wundervolle Kirchen und Paläste, Kunst und Musik an jeder Ecke, es gab Druckereien und Bibliotheken, in denen Gelehrte aus aller Welt studierten. Er war sicher, auch Mirijam würde es gefallen, diese Schönheit mit eigenen Augen zu sehen.
Jeder verständige Mensch hätte also leicht aus seinen
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