Quaelend suesse Glut
war mit dem Aufgehen der Sonne eingeschlafen und bot keinen Vorwand, die Rückreise noch länger zu verschieben. Kareefs Krönung sollte morgen stattfinden, und die womöglich zu versäumen, wäre mehr als sträflich.
Trotzdem sehnte er sich nicht unbedingt in den Palast zurück, in dem es vor auswärtigen Besuchern und Gästen nur so wimmeln würde, während der gesamte Hofstaat überall herumschwirrte, um alles termingerecht und stilvoll vorzubereiten.
So sehr sich Rafiq auch für seinen Bruder freute, fühlte er sich nicht wirklich als Mitglied der königlichen Familie oder auch nur der Festzeremonie, sondern eher als Zuschauer. Die Person, deren Nähe er momentan am meisten schätzte, saß hier neben ihm im Wagen … und hatte tatsächlich die Stirn, ihn als Touristen-Prinz zu bezeichnen!
Da konnte es doch wohl nicht schaden, noch eine Weile länger den Touristen zu spielen. Seine Mutter würde sich in jedem Fall freuen, wenn er seinen Aufenthalt in Qusay verlängerte. Und gegen seine Beziehung zu Sera konnte sie angesichts ihrer durchsichtigen Kuppelversuche eigentlich auch nichts haben.
Wenn sich dann auch noch Tahir entschließen könnte, sein Phantomdasein aufzugeben, wäre endlich mal wieder die ganze Familie zusammen.
Doch kaum im Palast angekommen, tauchte der stets umtriebige Akmal an seiner Seite auf und torpedierte Rafiqs hoffnungsvollen Plan mit der Hiobsbotschaft, dass noch kein neues Lebenszeichen von seinem jüngeren Bruder eingegangen sei. Und Kareef wäre bereits am frühen Morgen nach Qais aufgebrochen, um den Qais Cup , ein berühmtes Pferderennen, nicht zu verpassen. Die eher beiläufige Bemerkung, dass sein Ausflug auch etwas mit der gleich danach stattfindenden Hochzeit seiner ehemaligen Geliebten zu tun haben könnte, überraschte Rafiq, während sich Sera seltsam unbeeindruckt von der Nachricht zeigte.
„Ich dachte, Jasmine sei eine sehr enge Freundin von dir gewesen?“, hakte er neugierig nach, als sie beide ihre persönlichen Sachen aus dem Jeep räumten.
„Das ist sie immer noch.“
„Und wieso bist du dann nicht auf ihrer Hochzeit?“
„Vielleicht, weil ich es nicht ertragen kann, zu sehen, wie eine Freundin gezwungen wird, einen Mann zu heiraten, den sie nicht liebt?“, antwortete sie ausweichend.
Rafiq betrachtete ihre verschlossene Miene und spürte einen heftigen Stich im Herzen. Als Sera ihre Handtasche vom Rücksitz nahm und sich abwenden wollte, griff er nach ihrer Hand. „Du hast Hussein niemals geliebt, nicht wahr?“, vergewisserte er sich noch einmal mit heiserer Stimme.
„Es gab nur einen Mann, den ich geliebt habe“, erwiderte sie, ohne ihn anzuschauen.
Bevor Rafiq noch etwas sagen konnte, war der allgegenwärtige Großwesir schon wieder an seiner Seite. „Ist in Marrash alles zu Ihrer Zufriedenheit verlaufen, Eure Hoheit?“
„Ja, vielen Dank der Nachfrage, Akmal“, antwortete Rafiq geistesabwesend. „Obwohl ich den Verlust eines der Jeeps eingestehen muss.“
„Ist er mit einer Panne liegengeblieben?“
„Eher untergegangen …“, murmelte Rafiq. „Im Treibsand“, präzisierte er angesichts Akmals ratloser Miene.
„Treibsand!“ Zum ersten Mal in seinem Leben sah Rafiq den alten Mann die Fassung verlieren. „Ich … ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, Eure Hoheit, und ich werde ein ernstes Wort mit den Fahrern wechseln. Ein derartiger Vorfall ist unverzeihlich!“
Rafiq legte dem entsetzten Großwesir begütigend eine Hand auf die Schulter. „Die hatten damit nicht das Geringste zu tun. Es war allein meine Schuld, aber das Wichtigste ist doch, dass wir alle gerettet wurden. Ende gut, alles gut, oder?“
„Ich … ich freue mich wirklich, dass Sie so denken“, murmelte Akmal schwach und verbeugte sich besonders tief, ehe er sich zurückzog.
„Oh, Akmal!“, rief Rafiq hinter ihm her. „Wir beide treffen uns dann gleich in der Bibliothek, wie besprochen. Wissen Sie übrigens, ob die Sheikha in ihrer Suite ist? Ich möchte ihr nämlich gleich nach unserem Meeting einen Besuch abstatten.“
Akmal versicherte ihm, er werde dafür sorgen, dass alles so laufe, wie seine Hoheit es wünsche, und verschwand endgültig im Palast. Sera schien ihm schon vorausgeeilt zu sein, denn Rafiq konnte sie nirgendwo entdecken.
Seufzend machte auch er sich auf den Weg, um seinen leidigen Verpflichtungen nachzukommen. Das Gespräch mit Akmal würde er so kurz wie möglich halten, und wenn er die Begegnung mit seiner Mutter schon nicht vermeiden
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