Qual
Koffein erklärte übrigens sehr viele Eigenarten des zwanzigsten Jahrhunderts.) Ich wußte, was geschah, wenn ich das Melatonin absetzte – ich würde eine kurze Zeit unter nächtlicher Schlaflosigkeit und täglicher Müdigkeit leiden, wenn mein Gehirn versuchte, den von außen aufgezwungenen Rhythmus auszugleichen. Aber die Nebeneffekte der Alternativen waren wesentlich schlimmer.
Carol Landers hatte ein Interview abgelehnt, was eine Schande war, denn es wäre ein echter Knüller gewesen, mit der künftigen mitochondrischen Eva zu plaudern. Landers hatte nicht verraten, ob sie bereits mit den Symbionten geimpft war. Vielleicht wollte sie abwarten, ob er die Prozedur überlebte oder ob er zum Opfer der Bevölkerungsexplosion eines mutierten Bakterienstammes wurde, der ihm einen toxischen Schock versetzte.
Ich hatte die Genehmigung erhalten, mit einigen von Landers’ führenden Angestellten zu reden – einschließlich der beiden Genetiker, die den größten Teil der Forschung und Entwicklung durchführten. Sie zierten sich, wenn sie über irgend etwas reden sollten, das über die technischen Details hinausging, doch generell schienen sie den Standpunkt einzunehmen, daß jede frei gewählte Behandlung, die im Dienst der Gesundheit des Individuums stand – und die keine Gefährdung für die Allgemeinheit darstellte –, ethisch völlig unbedenklich war. Damit hatten sie nicht ganz unrecht, zumindest was die möglichen Umweltgefahren betraf, denn die Arbeit mit Neo-DNS bedeutete, daß keinerlei Risiko einer unbeabsichtigten Rekombination bestand. Selbst wenn sie ihre gesamten gescheiterten Experimente in den nächsten Fluß kippten, könnte kein natürliches Bakterium irgend etwas mit den Genen anfangen.
Zur Erfüllung von Landers’ Vision einer biologisch autonomen Familie war jedoch mehr als nur Forschungs- und Entwicklungsarbeit nötig. Erbliche Veränderungen an menschlichen Genen waren zur Zeit in den USA (und den meisten anderen Ländern) illegal – mit Ausnahme einer Handvoll ›genehmigter Korrekturen‹, wenn es um die Eliminierung von Krankheiten wie Muskelschwund oder zystische Fibrose ging. Gesetze ließen sich natürlich widerrufen, obwohl Landers’ Anwalt, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Biotechnik, damit argumentierte, daß die Veränderung der Basengruppen – einschließlich der Übersetzung einiger dazugehöriger Gene – überhaupt nicht gegen den anti-eugenischen Geist der existierenden Gesetze verstieß. Es hatte keinen Einfluß auf das äußere Erscheinungsbild der Kinder (Größe, Statur, Pigmentierung). Es wirkte sich nicht auf ihren IQ oder ihre Persönlichkeit aus. Als ich auf ihre voraussichtliche Sterilität (die Inzest unmöglich machte) zu sprechen kam, hatte er den interessanten Standpunkt vertreten, daß es kaum Ned Landers’ Schuld war, wenn die Kinder anderer Leute in bezug auf seine eigenen steril waren. Schließlich gab es keine unfruchtbaren Personen, sondern nur unfruchtbare Paare.
Ein Experte von der Columbia University sagte, daß all das völliger Quatsch war. Der Austausch ganzer Chromosomen war einfach illegal, ganz gleich, ob es sich auf den Phänotyp auswirkte oder nicht. Ein anderer Experte auf diesem Gebiet – von der University of Washington – war sich nicht so sicher. Wenn ich die Zeit gehabt hätte, hätte ich wahrscheinlich hundert verschiedene Meinungen wichtiger Juristen sammeln können, die jeden nur denkbaren Aspekt dieses Themas ansprachen.
Ich hatte auch mit einigen von Landers’ Kritikern gesprochen, einschließlich Jane Summers, einer freien Fachärztin für Biotechnik aus San Francisco, die zudem ein prominentes Mitglied der Gruppe Soziale Verantwortung für Molekularbiologen war. Sechs Monate zuvor hatte sie einen Artikel für das halböffentliche SVMB-Netmagazin (das mein Datenmaulwurf stets gründlich durchforstete) geschrieben und darin behauptet, sie hätte Beweise, daß sich mehrere tausend reicher Leute in den USA und anderswo ihre DNS ummodeln ließen, Zelltyp für Zelltyp. Landers, hatte sie geschrieben, sei lediglich der einzige, der an die Öffentlichkeit gegangen war. Er sollte als eine Art Köder auftreten – ein reicher Exzentriker, der die Debatte entschärfte, weil das Ganze anscheinend nicht mehr als die lächerliche (beinahe quichotteske) Phantasie eines einzelnen Mannes darstellte. Wenn die Forschungsergebnisse ohne eine bestimmte, damit assoziierte Person an die Medien gegangen wären, hätte sich allgemeine Paranoia
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