0313 - Ein gefährlicher Job
Immer, wenn Harry Rassallo meinen Weg kreuzte, spürte ich ein Kribbeln zwischen den Schulterblättern. Rassallo war oberster Leibwächter in jener Organisation, von der ich mich hatte anwerben lassen. Rassallo war ein Hai, und im Vergleich zu ihm besaß ich Stichlingsformat. Wenn wir uns begegneten, gönnte er mir höchstens einen müden Blick, aber zwischen den Schulterblättern kribbelte es mir doch. Denn die Jungs erzählten, es wäre Rassallos Spezialität, einen Mann in den Rücken zu schießen, zwischen die Schulterblätter.
An diesem'schönen Sommerabend begegneten wir uns an der Kreuzung 9. Straße/First Avenue, und er ging nicht grußlos vorbei, sondern blieb stehen, ja, er schien sogar auf mich gewartet zu haben.
»Hallo«, sagte er.
Ich lächelte ihn freundlich an und sagte: »Hallo, Harry. Prächtiges Wetter, wie?«
Wir hatten ungefähr die gleiche Figur, waren aber recht unterschiedlich ausstaffiert, denn natürlich trug Harry Anzüge, die dreimal soviel kosteten wie meine, und er hatte eine fast blödsinnige Vorliebe für schwere Seidenkrawatten.
Die Jungs erzählten, Harry hätte Erfolg bei den Girls, aber ich fand nicht, dass er besonders gut aussah. Seine schwarzen Haare wucherten ihm tief in die Stirn, und seine Nase saß um eine halbe Daumenbreite schief und er sah nicht aus, als hätte er die Klugheit mit Löffeln gegessen.
»Du bist Rod Cann?«, fragte er.
»Stimmt genau, Harry! Freut mich, dass du meinen Namen kennst.«
»Mein Wagen steht ein Stück, weiter unten. Komm mit! Big Boss will dich sehen.«
Die Mitteilung traf mich wie ein Axt hieb, und ich blieb wie betäubt stehen, während Rassallo losmarschierte. Dann riss ich mich zusammen und lief ihm hinterher.
»He, Harry, habe ich richtig gehört? Big Boss will mich sehen?«
Er nickte nur. Klar, für ihn war der Umgang mit Big Boss eine alltägliche Angelegenheit aber für mich war es eine Sensation. Ich rekapitulierte schnell mein Sündenregister. Ich war mir keines Vergehens bewusst. Außerdem würde Big Boss mich nicht zu einer Aussprache bestellen, wenn ich seiner Ansicht nach etwas auf dem Kerbholz hatte. Wahrscheinlich würde er in einem solchen Fall nicht einmal Harry persönlich bemühen, sondern einen oder zwei Leute schicken, die auf seinen Pfiff hörten.
Rassallos Schlitten war ein schneeweißer Thunderbird mit roten Polstern und einem lackschwarzem Verdeck - ein Traumwagen.
Vor dem Kühler stand ein Mann, die Hände in den Taschen und den Hut im Genick. Und er sah die Mühle bewundernd an. Ich kannte den Burschen. Es war einer dieser G-men, die sich seit Jahren die Hacken abliefen, um Big Boss etwas am Zeug zu flicken. Aber es gelang nicht, Big Boss war viel zu gerissen.
Dieser G-man hier hieß Decker, Phil Decker. Er trieb sich soviel in der Gegend herum, in der ich arbeitete, dass ich manchmal dachte, er habe mich besonders ins Herz geschlossen.
Harry kannte ihn selbstverständlich auch. Ich sah es daran, dass sich sein Gesicht mächtig verfinsterte, aber der G-man schien es nicht zu bemerken.
»Großartige Karre, Rassallo«, sagte er freundlich. »Vor vier Wochen fuhrst du noch einen Cadillac, nicht wahr? Du wechselst die Wagen noch schneller als die Freundinnen.«
Mir gönnte der G-man nur einen flüchtigen Blick. Ich bin eben ein kleiner Fisch. Auch für die G-men.
Harry öffnete den Schlag und ließ mich einsteigen.
»Hat Big Boss die Gehälter erhöht?«, fragte dieser Decker.
Rassallo gab keine Antwort, ging um den Wagen herum und stieg von der anderen Seite ein. Er ließ den Motor anspringen und zischte ab. Der G-man stand am Straßenrand und lächelte auf ’ne unangenehme Weise, aber vielleicht lächelte er auch nur aus Verlegenheit, weil er nichts gegen Big Boss in der Hand hatte.
***
Big Boss bewohnte eine kleine weiße Villa in College Point am Powells Boulevard. Neben dem Tor an der weißen Mauer, die das Anwesen umgab, hing ein vornehmes Messingschild: Jurryll Fladow. So hieß der Boss.
Die Villa hatte nur sieben Zimmer. Selbstverständlich konnte sich der Boss auch ein Dreißig-Zimmer-Schloss leisten, aber er begnügte sich mit einem kleinen Haus. Der Grund dafür war, dass er kein ständiges Personal um sich duldete. Tagsüber war gewöhnlich einer von Rassallos Leute bei ihm, um ihn zu bedienen, aber nachts blieb der Boss allein. Wahrscheinlich fürchtete er, dass ein Diener von seinen Feinden dazu benutzt werden könnte, ihn des Nachts auszulöschen. Also verzichtete ei auf Bedienung,
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