Qual
die nur die Gene enthalten, die sie benötigen.
Sechzig Prozent der Stammzellen in meinem Knochenmark und im Thymus wurden inzwischen durch Zellversionen mit Neo-DNS ersetzt. Aus diesen Stammzellen entstehen die Blutzellen, einschließlich der Immunzellen. Ich mußte mein Immunsystem vorübergehend herunterfahren, damit der Übergang reibungslos verlief. Ich mußte noch einmal sämtliche frühkindlichen Immunisierungsphasen über mich ergehen lassen, um jede mögliche Abstoßungsreaktion zu vermeiden. Aber im Prinzip könnte ich mir jetzt eine konzentrierte Dosis HIV spritzen, ohne daß ich irgend etwas zu befürchten hätte.«
»Aber es gibt einen hervorragenden Impfstoff…«
»Natürlich.« Ich schnitt meine Zwischenbemerkung heraus und ließ Landers sagen: »Natürlich gibt es dagegen längst einen Impfstoff.« Dann fuhr er in eigenen Worten fort: »Aber ich besitze ohnehin ein zweites, völlig unabhängiges Immunsystem. Und wer weiß, was als nächstes kommt? Ich bin auf jeden Fall vorbereitet. Nicht etwa durch eine Anpassung meiner Symbionten an mögliche künftige Krankheitserreger – wozu niemand in der Lage wäre –, sondern indem ich gewährleiste, daß jede gefährdete Zelle meines Körpers eine andere Sprache als die Viren spricht.«
»Und wie sieht es langfristig aus? Es war eine kostenintensive Infrastruktur nötig, um Sie mit all diesen Sicherheitsvorkehrungen auszustatten. Was ist, wenn die Technik für Ihre Kinder und Enkelkinder nicht mehr zur Verfügung steht?« Auch diese Frage war redundant, so daß sie herausflog.
»Langfristig habe ich mir selbstverständlich das Ziel gesetzt, auch die Stammzellen zu modifizieren, die meine Spermien produzieren. Meine Frau Carol hat bereits mit einem Programm zur Sammlung ihrer Eizellen begonnen. Und wenn es uns gelungen ist, das komplette menschliche Genom zu übersetzen, wenn wir alle dreiundzwanzig Chromosomen in Spermien und Ova ersetzt haben… dann ist alles vererbbar. Jedes unserer Kinder wird mit reiner Neo-DNS leben – und die Symbionten werden im Mutterleib auf die Kinder übertragen.
Und wir werden auch das Erbgut der Symbionten übersetzen – in ein drittes genetisches Alphabet –, um auch sie vor Viren zu schützen und jede Gefahr eines versehentlichen Genaustausches auszuschließen. Sie werden unsere Feldfrüchte und Viehherden sein, unser Geburtsrecht, unsere Untertanen, die für immer in unserem Blut leben.
Und unsere Kinder werden eine neue biologische Art begründen. Mehr als nur eine Art – ein völlig neues Reich.«
Die Fußballer im Hintergrund jubelten, als jemand ein Tor geschossen hatte. Ich ließ es drin.
»Das ist es, was ich schaffe. Ein neues Reich.«
Ich saß achtzehn Stunden pro Tag an der Konsole und zwang mich dazu, so zu leben, als wäre die Welt geschrumpft, nicht nur auf die Größe des Arbeitsraumes, sondern auf die Schauplätze und Zeiträume der Filmaufnahmen. Gina ließ mich in Ruhe. Nachdem sie die Montage von Jenseits der Geschlechtskategorien überstanden hatte, wußte sie bereits, was sie zu erwarten hatte.
»Ich werde einfach so tun, als wärst du nicht in der Stadt«, sagte sie mit einem Achselzucken. »Und daß das Ding im Bett eine riesige Wärmflasche ist.«
Die Pharmaeinheit hatte ein kleines Hautpflaster auf meiner Schulter darauf programmiert, nach einem exakten Zeitplan genau abgestimmte Melatonindosen abzusondern – oder Melatoninblocker zu verabreichen, je nach den biochemischen Signalen meiner Zirbeldrüse. Dadurch wurde die Wellenbewegung des Wach- und Schlafzyklus in Hochplateaus verwandelt, die durch steil abfallende Täler getrennt waren. Ich wachte jeden Morgen aus fünfstündigem, REM-reichem Schlaf auf und war sofort hellwach und energiegeladen wie ein hyperaktives Kind, während mir der Kopf vor tausend zusammenhanglosen Träumen schwirrte (die hauptsächlich aus kunstvollen Neumontagen der Szenen bestanden, die ich am Vortag bearbeitet hatte). Bis Viertel vor zwölf gähnte ich für gewöhnlich nicht ein einziges Mal, doch fünfzehn Minuten später ging ich wie eine abgeschaltete Lampe aus. Melatonin ist das Hormon, das den natürlichen Zeitrhythmus steuert, und damit viel sicherer und wirkungsvoller als primitive Stimulanzien wie Koffein oder Amphetamine. (Ich hatte es einige Male mit Koffein probiert, und es hatte mir das Gefühl gegeben, konzentriert und energiegeladen zu sein, aber mein Urteilsvermögen war dabei völlig zu Bruch gegangen. Der weitverbreitete Gebrauch von
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