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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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gewartet. Die Genehmigung für eine Wiederbelebung wurde nur dann erteilt, wenn in Anbetracht der Umstände damit zu rechnen war, daß das Opfer den Täter benennen konnte. Die Aussichten, einen Fremden aufgrund einer verbalen Beschreibung zu fassen – ganz zu schweigen von einem Phantombild vom Gesicht des Täters –, standen schlecht. Lukowski hatte erst kurz nach Mitternacht einen Staatsanwalt geweckt, in dem Augenblick, als eine eindeutige Prognose vorlag.
    Cavolinis Haut nahm eine eigentümliche rötliche Färbung an, während immer mehr Zellen wiederbelebt wurden und Sauerstoff aufnahmen. Diese Färbung ging auf die anders gebauten Transportmoleküle im Ersatzblut zurück, die wesentlich effektiver als Hämoglobin arbeiteten, aber genauso wie alle anderen eingesetzten Mittel letztlich toxisch waren.
    Der Assistent der Pathologin drückte einige weitere Tasten. Cavolini zuckte und hustete erneut. Das Ganze war ein schwieriger Drahtseilakt. Die kleinen Gehirnschocks waren notwendig, um die wichtigsten Funktionsrhythmen zu stabilisieren, aber zu starke äußere Einflüsse konnten die letzten Reste des Kurzzeitgedächtnisses auslöschen. Auch nach dem legalen Tod waren tief im Gehirn immer noch Nervenzellen aktiv und konnten mehrere Minuten lang die symbolischen Spannungsmuster aufrechterhalten, die die jüngsten Erinnerungen repräsentierten. Die Wiederbelebung konnte die neurale Infrastruktur wiederherstellen, die notwendig war, um diese Spuren zu interpretieren, aber wenn sie bereits vollständig erloschen waren – möglicherweise durch die Maßnahmen, mit denen man an sie herankommen wollte –, war die Befragung sinnlos.
    »Sie sind jetzt in Sicherheit, Danny«, sagte Lukowski beruhigend. »Sie sind im Krankenhaus. Aber Sie müssen mir sagen, wer Ihnen das angetan hat. Sagen Sie mir, wer Sie mit dem Messer angegriffen hat.«
    Ein heiseres Flüstern drang aus Cavolinis Mund, eine schwache, gehauchte Silbe, dann nichts mehr. Mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken – aber gleichzeitig geriet ich in eine idiotische Jubelstimmung, als würde ein Teil von mir sich einfach der Tatsache verweigern, daß dieses Lebenszeichen auf gar keinen Fall als Zeichen der Hoffnung anzusehen war.
    Cavolini versuchte es erneut, und beim zweiten Mal war er schon etwas ausdauernder. Durch sein künstliches Keuchen, das keiner Willenskontrolle unterlag, klang es, als würde er nach Luft schnappen. Es war sinnlos, so etwas zu tun, aber in Wahrheit litt er gar nicht unter Sauerstoffmangel. Seine stimmlichen Äußerungen waren so brüchig und quälend, daß ich kein einziges Wort verstand. Doch seine Kehle wurde von einer Staffel piezoelektrischer Sensoren abgetastet, die ihre Daten an einen Computer weitergaben. Ich drehte mich um und blickte auf den Bildschirm.
    Warum kann ich nichts sehen?
    »Ihre Augen sind bandagiert«, erklärte Lukowski. »Einige Blutgefäße haben Schaden erlitten, aber man hat sie repariert. Ich versichere Ihnen, daß keine dauerhaften Schäden zurückbleiben. Sie sollten… einfach ruhig liegenbleiben und sich entspannen. Und mir sagen, was geschehen ist.«
    Wie spät ist es? Bitte. Ich sollte zu Hause anrufen. Ich muß ihnen sagen, daß…
    »Wir haben Ihre Eltern bereits verständigt. Sie sind unterwegs. Sie werden bald hier sein.«
    Das entsprach sogar der Wahrheit – aber selbst wenn sie innerhalb der nächsten neunzig Sekunden eintrafen, würde man ihnen niemals den Zutritt zu diesem Raum gestatten.
    »Sie haben auf den Zug gewartet, mit dem Sie nach Hause fahren wollten, nicht wahr? Bahnsteig vier. Erinnern Sie sich? Sie wollten den Zehn-Uhrdreißig-Zug nach Strathfield nehmen. Aber Sie haben ihn nicht bestiegen. Was ist geschehen?« Ich sah, wie Lukowskis Blick zu einer Anzeige unter dem Protokollfenster wanderte, wo ein halbes Dutzend biologischer Parameter aufgezeichnet und vom Computer durch gepunktete Linien verlängert wurden. Alle extrapolierten Kurven stiegen zunächst an und erreichten etwa eine Minute in der Zukunft ihren Höchststand, um dann rapide abzufallen.
    Er hatte ein Messer. Cavolinis rechter Arm begann zu zucken, und zum ersten Mal kam Leben in seine erschlafften Gesichtsmuskeln, die sich zu einer schmerzvollen Grimasse verzogen. Es tut immer noch weh. Bitte helfen Sie mir. Der Bioethiker betrachtete die angezeigten Werte auf dem Bildschirm, ohne zu intervenieren. Jedes wirksame Anästhetikum würde die neuralen Aktivitäten viel zu sehr dämpfen, um die Befragung

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