Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken
Rasiercreme-Torte bewarf (und daraufhin von Murdochs Gattin geohrfeigt wurde), wirft man sich heutzutage eher verbale Gemeinheiten an den Kopf.
So regte ein Parlamentsmitglied einmal eine Diskussion darüber an, ob das Geschlechtsteil des ehemaligen Premierministers John Mayor wohl mächtig genug für einen Mann in seiner Position sei. Obgleich John Mayers Angebot, das umstrittene Körperteil zur Ansicht freizulegen, mit einem einstimmigen Nein abgelehnt wurde, beschleicht den Zuschauer in solchen Momente leicht das Gefühl, in einer extrem unseriösen englischen Sitcom gelandet zu sein. Auch einige der im Lauf der Zeit beschlossenen Gesetze sind recht lustig. So ist es beispielsweise untersagt, sich der Königin ohne Socken auf weniger als 100 yards zu nähern, im Westminster Palace zu sterben oder mit einem ungezähmten Stier zu kämpfen. Hingegen ist es zulässig, als Schwangere gegebenenfalls in einen Polizeihelm zu urinieren. Auch das Abstimmungsverfahren im Parlament ist ungewöhnlich: Nachdem der Präsident eine Abstimmung angekündigt hat, müssen die Abgeordneten innerhalb von genau acht Minuten hurtig in einen „Ja-Raum“ ( Aye-Room) oder einen „Nein-Raum“ (No-Room) wieseln. Wer zu spät kommt, steht stimmenlos vor verschlossener Türe.
Im Südflügel des Palace of Westminster befindet sich das ungleich elegantere, mit roten Ledersesseln, Kristallleuchtern und Goldverzierungen ausgestattete House of Lords . Aufgabe der edlen Herrschaften hier ist es im Wesentlichen, die Beschlüsse des House of Commons so lange zu diskutieren, bis die fraglichen Missstände sich von selbst erledigt haben. Dass es hier beschaulich zugeht, liegt zum einen daran, dass viele der rund 750 auf Lebenszeit ernannten und fast ausnahmslos im Rentenalter angesiedelten Abgeordneten (peers) auf den gemütlichen Ledersofas entweder ihren Rausch von gestern Abend ausschlafen oder (in Einzelfällen) unbemerkt verstorben sind. Und zum anderen daran, dass die Mitglieder, die sich gegenseitig mit „ Noble Lord“ oder „Noble Baroness“ ansprechen müssen, sich natürlich zu fein sind, um herumzubrüllen wie der Pöbel aus dem Unterhaus. Stattdessen pflegen sie die ganz normalen, umständlichen, überhöflichen Regeln englischer Konversation. Das zieht Debatten natürlich in die Länge, weshalb der Lordkanzler es sich gelegentlich auf einem großen, mit Wolle gefüllten Kissen bequem macht, dem sogenannten woolsack .
Die Dritte im Bunde, die Queen also, ist zwar offiziell Staatsoberhaupt ( Head of State of the UK) hat aber eigentlich gar nichts zu tun, außer die alljährliche Eröffnungsrede im Oberhaus zu halten, die sogenannte Queen’s Speech . Die ist natürlich mit einer schnöden deutschen Regierungserklärung nicht zu vergleichen, sondern wie jede parlamentarische Handlung in England eine mit wundersamen Ritualen gespickte Zeremonie. Es fängt schon mal damit an, dass die königliche Leibgarde sämtliche Kellerräume des Parlamentsgebäudes mit Fackeln nach Schwarzpulver-Fässern absuchen muss, bevor die Königin in ihrer goldenen Kutsche vorfährt. Natürlich nicht, weil tatsächlich Gefahr drohen würde, sondern lediglich als Reminiszenz an den erfolglosen Attentäter Guy Fawkes, dessen übler Plan, Parlament und König in die Luft zu jagen, 1605 in letzter Minute vereitelt wurde. Für die Dauer der anschließenden Eröffnungszeremonie wird ein Parlamentarier im Buckingham Palast als „Geisel“ genommen – bis die Königin wieder hoch zu Ross heil ins Schloss zurückgehoppelt ist. Auch das wieder so ein Überbleibsel aus Zeiten, als sich Monarch und Parlament nicht so richtig über den Weg trauten.
Als Nächstes wird der sogenannte Black Rod (auf Deutsch etwa: „Pförtner des schwarzen Stabs“) zum Unterhaus geschickt, um die Parlamentsmitglieder zusammenzutrommeln. Traditionell schlagen diese ihm die Türe vor der Nase zu und öffnen sie erst wieder, wenn er mit seinem schwarzen Stab dreimal angeklopft hat. Wenn sich nach dem ganzen Zinnober alle Parlamentsmitglieder im House of Lords eingefunden und ihre Plätze eingenommen haben (was dank der rotweißen Trachten der vornehm rausgeputzten Lords auf den ersten Blick aussieht wie eine Versammlung von Weihnachtsmännern), schreitet die Queen in vollem Ornat zu ihrem Thron. Alsdann betet sie die von der Regierung geschriebene Thronrede mit völlig monotoner Stimme herunter. Das soll angeblich die Neutralität der Monarchie zum Ausdruck bringen. Vielleicht kommt es
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