Quellen innerer Kraft
ist es also gar nicht so wichtig, was die anderen wollen. Ich muss in mir spüren, was für mich stimmt. Nur wenn ich so mit mir selber in Kontakt komme, werde ich auch an meine inneren Ressourcen kommen.
Eine andere Frau hatte seit ihrer frühen Kindheit in sich das Muster, dass sie bei allem, was sie tat, fragen musste: „Ist es auch richtig, was ich getan habe?“ Letztlich stand dahinter eine ganz andere Unsicherheit: „Bin ich auch richtig? Darf ich so sein, wie ich bin?“ Dieses Lebensmuster hat die Frau viel Kraft gekostet. Und sie muss immer wieder dagegen angehen, um an ihre Kraftquelle zu gelangen. Die Frage, ob sie selber denn „richtig“ sei, stellt sich ihr auf ihrem Weg zur inneren Quelle immer wieder entgegen, und verstellt ihr den Zugang zu Kreativität und Lebensfreude.
Seit 14 Jahren arbeite ich in der Begleitung von in der Seelsorge engagierten Menschen, die unter dem burn-out-Syndrom leiden. In Gesprächen geht es häufig um die Frage, warum so viele von ihnen ausgebrannt sind. Ein Therapeut aus dem Team hat seine Antwort so formuliert: „Wer viel gibt, der braucht auch viel.“ Einen solchen Satz darf man sicher nicht verallgemeinern. Aber auf viele erschöpfte Seelsorger trifft er zu. Sie geben viel, weil sie viel brauchen. Sie setzen sich für die Gemeinde ein, weil sie beliebt sein wollen, weil sie Zuwendung, Bestätigung, Anerkennung brauchen. Doch wer gibt, weil er Anerkennung und Zuwendung will, der wird nie bekommen, was er erwartet. Er ist in kurzer Zeit erschöpft. Häufig hat auch dieses Lebensmuster in Erfahrungen der Kindheit seinen Ursprung. Vor allem Priester mit einer zugroßen Mutterbindung laufen Gefahr, die Gemeinde als Ersatzmutter anzusehen. Ein Priester opferte sich für seine Gemeinde auf. Er wollte sich in der Gemeinde daheim fühlen. Doch keine Pfarrgemeinde kann dem Priester zur Heimat werden. Damit ist sie – und damit wären die konkreten Menschen in ihr – überfordert. Die zu großen Erwartungen des Priesters an sie sind letztlich seine Erwartungen an die Mutter, die er auf die Gemeinde projiziert. Wie seiner Mutter gegenüber möchte er auch vor der Gemeinde immer der brave Junge, der liebe Kerl, sein, bei allen beliebt und anerkannt. Doch das führt dazu, dass er sich ständig überfordert. Schon die geringste Kritik wirft ihn völlig aus der Bahn. Er möchte es doch allen Recht machen und bei allen beliebt sein.
Solche Muster erleben wir häufig auch in Firmen. Wenn jemand mit einer starken Mutterbindung seine Firma als Ersatzmutter sieht, schöpft er ständig aus einer trüben Quelle. Er tut alles für die Firma, um bei allen beliebt zu sein. Aber er hat das Gefühl, dass sein Einsatz nie genügt. Er bekommt einfach nicht, wonach er sich in seinem Herzen sehnt. Gleichgültig ob die zu große Mutterbindung in der übertriebenen Zuwendung der Mutter oder aber in der Enttäuschung an der Mutter ihre Ursache hat: Man möchte dann in der Firma entweder die gleiche Zuwendung wie von der Mutter erfahren, oder aber man sieht in ihr einen Ersatz für die mangelnde Mutterliebe. Beides führt notwendigerweise zur Überforderung.
Ein Mann erzählt, dass die Ehe seiner Eltern sehr brüchig war, als er selber gerade einmal 12 Jahre alt war. Die gespannte Atmosphäre zwischen den Eltern führte dazu, dass er seine eigenen Bedürfnisse nicht zu äußern wagte. Die Eltern waren so mit sich beschäftigt, dass er ihnen nicht auchnoch Kummer machen wollte. So hat er gelernt, seine eigenen Bedürfnisse immer zu unterdrücken. Als Erwachsener versuchte er – jetzt in verantwortlicher Position in seinem Beruf –, auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu schauen und sie nach Möglichkeit zu befriedigen. Doch das führte zu seinem völligen Zusammenbruch. Er spürte, dass er auch selber Bedürfnisse hatte und lernte allmählich: Nur wenn er sich und seine Bedürftigkeit ernst nahm und für sich selbst gut sorgte, konnte er auch seine Aufgabe als Führungskraft erfüllen, ohne seine Kraft zu verlieren.
Eine Lehrerin setzte sich vorbildlich für ihre Schüler ein, aber sie litt immer wieder an Erschöpfungszuständen. Im Gespräch deutete sie dies so, dass sie sagte, es sei ihr pädagogischer Eros, der sie zur Erschöpfung treibe. Doch wer sich wirklich vom Eros bewegen lässt, der hat Lust an seiner erzieherischen Arbeit. Und wer Lust hat an dem, was er tut, ist nicht so schnell erschöpft. Der Eros ist eine Quelle, die nicht leicht versiegt. Nach einigen Gesprächen
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