Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
einer Kreissäge nach und winkte dann in Richtung der Eisstockgruppe. »Die Würtschl sind da.«
Kapitel 24
Bad Wiessee, Mittwoch, 20. 12., 08.15 Uhr
Arzu brauchte einen Gynäkologen. Das war sicher.
Sie war bei Querchers Schwester geblieben und hatte mit der Familie gefrühstückt. Das deutsche Frühstück war für sie immer noch befremdlich. Türken frühstückten anders. Selbst ein gedeckter Tisch besaß in einem deutschen Haushalt noch eine Ordnung. Das Lokalradio dudelte. Von dem Kachelofen klang das Knistern des brennenden Holzes herüber. Es wurde leise gesprochen. Es gab dunkles Brot. Trotz der Tochter Maxima, so empfand es jedenfalls Arzu, wohnte dem deutschen Frühstück unter der Woche immer etwas von der Vorbereitung auf einen Waffengang inne. Man besprach den Tag, blieb ernst, in sich gekehrt. Aber vermutlich spiegelten sich da nur eigene Vorurteile und Klischees wider.
Das Kind in ihr bewegte sich nicht mehr. Kein Strampeln, kein Gegentreten. Sie machte sich Sorgen und erzählte das der Gastgeberin.
»Das ist normal, Arzu. Manchmal bewegt es sich, wenn du schläfst oder aufgeregt bist und gar nicht darauf achtest. Aber mein Frauenarzt Dr. Pauly hat sicher Zeit für dich. Er hat seine Praxis in Gmund. Soll ich ihn anrufen?«
Arzu war unschlüssig. Sie wollte noch ein paar Daten prüfen, eine mögliche Verbindung zwischen dem Brand des Bestattungswagens und der Manipulation von Querchers Auto suchen. Über einen Netzanbieter konnte sie die Handynummern, die sich im Umkreis der Orte zur Tatzeit lokalisieren ließen, abgleichen lassen, also auch die der Herren Stangassinger, Schlickenrieder und Brunner. Zudem hatte Quercher sie gestern Abend noch um etwas Spezielles gebeten. Er hatte ihr eine Kontaktperson beim BKA in Wiesbaden genannt, die Arzu bitten sollte, für ihn in den Archiven nach den Großvätern von Brunner und Schlickenrieder zu forschen. Ein Haufen Arbeit, den sie lieber verrichtete, als auf kalten Stühlen die Beine zu spreizen und vorzugeben, dass sie das Ultraschallbild des Kindes einfach toll fand.
Anke schrieb die Nummer des Arztes auf einen kleinen gelben Zettel und schob ihn Arzu zu.
Die nickte nur müde, ehe sie sich bedankte und antwortete: »Vielleicht heute Nachmittag. Es wäre ganz gut, wenn ich schon jetzt in dein Büro fahren dürfte.«
Anke hatte nur eingeschränkt Lust, so früh in das Schützenstüberl zu fahren. »Hier sind die Schlüssel, du kannst meinen Wagen nehmen. Ich komme heute gegen Mittag rein.«
Arzu hatte eine Kanne Tee aufgegossen, sich vor den Schreibtisch gesetzt und ihren Laptop gestartet. Ihr war bewusst, dass in den nächsten Stunden ihre gesamte Karriere auf dem Spiel stand. Sie würde ohne jeden richterlichen Beschluss oder erkennbare Gefahr die Handys dreier bislang unverdächtiger Menschen ausforschen. Indem sie eine sogenannte ›stille SMS‹ sendete, konnte sie die aktuellen Standorte der Handys ermitteln. Denn diese SMS wiederum hatte einen Steuerungsbefehl, der das jeweilige Handy veranlasste, Kontakt mit der nächstgelegenen Funkstelle aufzunehmen. Dieser Datenaustausch war generell nötig, um die Erreichbarkeit der Mobiltelefone zu überprüfen. Die Daten liefen bei den Netzbetreibern ein, welche sie ihrerseits auf Anfrage an die Ermittler weitergaben. Konnten die Polizisten nachweisen, dass ›Gefahr in Verzug‹ war, also ein Verbrechen kurz bevorstand oder ein Verdächtiger zu flüchten drohte, durfte die richterliche Bestätigung auch später nachgereicht werden.
Das wäre hier nur der Fall, wenn Quercher und sie schnell einen Ermittlungserfolg vorweisen könnten. Und selbst dann würde in einem Strafverfahren ein findiger Verteidiger auf das unrechtmäßig erworbene Beweismaterial hinweisen. Technisch war es ein Kinderspiel. Aber ohne richterlichen Beschluss eben illegal und jobgefährdend. Zudem würde sie nicht nur die Standorte ausforschen, sondern vor allem auch die angerufenen und empfangenen Nummern und SMS überprüfen. Quercher wollte ein Gesamtprofil der drei Männer. Dazu gehörte auch der Zugriff auf die Mails der Verdächtigen. Und das war weitaus schwieriger.
Arzu öffnete ihren Posteingang. Da war die Nachricht, eine Auflistung aller Telefondaten der drei Männer. Ihr Kontakt bei dem Telefonanbieter war zuverlässig; ein einsamer, hässlicher Mann, dem sie seit geraumer Zeit mit einem schmierigen Mailverkehr das Gefühl gab, es lohne sich, von ihr zu träumen. Er hatte die vergangene Nacht brav damit
Weitere Kostenlose Bücher