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Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Titel: Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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weg. Bald war er allein. Er las die Namen auf der Liste. Ehemalige Vorstände, Diplomaten, Politiker und Soldaten. Keine Prominenz – aber die, die das Rad in diesem Land im Verborgenen drehten.
    Unter ihm lag der See. Eine feste weiße Eisschicht hatte sich auf ihm gebildet. Alle sieben Jahre, so sagen sie hier, friert der Tegernsee zu. Und jedes Mal bricht mindestens ein Trottel ein, dachte Rieger. Jeder wusste um die Gefahren, aber niemand verbot, das Eis zu betreten. Das war für die hiesigen Behörden schon fast erstaunlich. Die Orte im Tal wurden mehrheitlich von, wie Rieger fand, intellektuell überschaubaren Handwerkern, kleinen Unternehmern und Gastwirten geführt. Deren größte Angst war die Veränderung. Rieger konnte sich darüber amüsieren, musste sich aber auch eingestehen, dass diese Angst vor der Veränderung ihm all die Jahre bei seiner Arbeit geholfen hatte. Der See war ein sicheres Haus, wie er es einst vor Freunden treffend beschrieb. Hier waren die versteckt liegenden Landhäuser, hinter denen niemand etwas Arges vermutete, weil sie alle mehr oder weniger unauffällig wirkten. Die guten Kliniken, in denen seine Klienten sich diskret erholten. Auch darum hatte er diesem Projekt der drei Männer aus Bad Wiessee seine Zustimmung gegeben. Dr.   Rieger selbst sah sich als ein Problemlöser mit Weitblick. Auch jetzt noch – mit weit über siebzig Jahren – regelte er ›die Dinge‹, die zuweilen auftraten. Aber seine Zeit war vorbei. Und er konnte das akzeptieren. Jetzt galt es, all das, was damals war, zu versiegeln und vor fremdem Zugriff zu schützen.
    Er trank einen Schluck Tee.
    Die Sache mit der Leiche dufte nicht aus dem Ruder laufen. Und wie immer blieb auch diesmal alles an ihm und seinen Freunden hängen. Sein Amt hatte sich verändert. Früher wäre die Geschichte mit diesem Quercher und dem Soldaten dank der Staatsregierung still und der Vorweihnachtszeit angemessen eingeschlafen. Man hätte diesen wild gewordenen Beamten ruhiggestellt, notfalls mit harten Mitteln. Ein Telefonat zwischen BND und LKA hätte gereicht. Aber das LKA war eben auch eine Ansammlung von Schwächlingen. Er wollte Ruhe im Tal – für sich, seine Familie und seine Freunde. So viele Risiken und Entbehrungen war er in den letzten Jahrzehnten für dieses Land eingegangen. Aber jetzt, wo er sein Amt einmal brauchte, war es nicht für ihn da. Mit einer Kanzlerin aus dem Osten, die sich den Juden an den Hals warf, sich von ihnen abhängig machte, und einem Minister, der eine Historikerkommission aufbaute, die die Geschichte des BND untersuchen sollte. Ein Volk, das nicht vorwärtsschritt, war zum Scheitern verurteilt. Der neue Feind, da war sich Dr.   Rieger sicher, stand im Osten – wieder einmal. Aber diesmal weiter als Moskau: Die Chinesen würden alle dominieren. Und wenn man nicht wieder die alten Waffen aus dem Keller holen würde, dürfte dieses Land bald nur noch eine Provinz Pekings sein.
    Seine Gedanken schweiften ab.
    Er musste sich konzentrieren. Sein Mann hier im Tal war Hudelmeier, einst bei der Bundeswehr in Afghanistan, wo er sich etwas danebenbenommen hatte, wie Rieger es vornehm formulierte. Er hatte ihm unter einer neuen Identität ein anderes Leben geschenkt. Vor zwei Tagen hatte Rieger ihn angerufen und von der Leine gelassen. Er gab Hudelmeier immer viel Handlungsspielraum, wollte nie Details wissen, auch um sich bei etwaigen Problemen aus der Sache heraushalten zu können. Nun war ein weiterer groß angelegter Schlag vonnöten. Rieger wusste nur zu gut, wer dahintersteckte. Dieser verdammte Pollinger wollte es noch einmal wissen. Aber er, Rieger, würde ihm am Ende seines Lebens noch einmal eine Lektion erteilen, wie er sie nur seinen ärgsten Feinden angedeihen lassen würde.

Kapitel 26
    München, Mittwoch, 20.   12., 09.09   Uhr
    Dr.   Stefan Picker hatte das ganz große Programm bestellt. Ein Team des SEK stand bereit. Spürhunde saßen aufgeregt in den Boxen eines Lieferwagens, der in einer Querstraße parkte. Und für den Fall von Fluchtversuchen gab es um das Objekt herum verteilt einen Kordon von Streifenbeamten. Das Netz war gespannt. Querchers Ende kam und Pickers Weg nach Berlin würde frei werden.
    Das Lokal hieß Palmyra. Picker konnte mit dem Namen nichts anfangen, aber ein junger Kollege erklärte ihm, dass es sich um den Namen einer antiken syrischen Wüstenstadt handelte. Und wenn schon, dachte er. Bald würde es hier wieder Zum warmen Friseur heißen, wie es sich für

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