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Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Titel: Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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standen sie schon auf dem Mittleren Ring im Stau.
    »Wann landet sie?«, fragte Arzu vom Beifahrersitz.
    »11.20   Uhr mit der Lufthansa am Terminal 2.«
    »Was weißt du über sie?«
    »Pollingers Assi hat etwas über sie zusammengestellt. ’ne Riesenakte.«
    Sie sah ihn erwartungsvoll von der Seite an. »Und?«
    »Die Akte liegt auf dem Rücksitz. Lies halt und lass mich hier fahren.« Er merkte, wie ihm der Verkehr die letzten Reste seiner Konzentration raubte. »Lies doch bitte laut vor«, schlug er versöhnlicher vor.
    »Geht nicht, dann muss ich kotzen.«
    Er verdrehte die Augen. Arzu Nishali musste immer das letzte Wort haben. Es war ihre Art, mit der Männerdominanz im Job und in der Familie umzugehen.
    Arzu grinste. »Na gut, so wie es hier drinnen stinkt und aussieht, würde Kotze auch nicht auffallen.«
    Quercher ignorierte die Bemerkung über das Chaos in seinem Wagen. Er schlief eben von Zeit zu Zeit hier, wenn es in der Wohnung zu voll wurde. Und generell würde nie jemand ein so dreckiges Auto klauen. Es war seine eigentliche Heimat.
    Arzu angelte sich den Aktenordner von der Rückbank und raschelte mit dem Papier. »Hannah Kürten, einundvierzig Jahre alt, 1979 mit den Eltern in die USA übergesiedelt. Die hatten hier in Deutschland in kürzester Zeit mit verschiedenen Firmen einen unglaublichen Reichtum angehäuft. Der Vater stand auf der Todesliste der RAF. Darum wanderten sie wohl aus. In den USA hat der Vater weiter in Start-ups investiert. Die Tochter hat in Harvard Politik und Volkswirtschaftslehre studiert. Dann gab es einen schweren Unfall, Vater, Mutter und Bruder starben. Hannah Kürten war mit gerade einmal sechsundzwanzig Jahren plötzlich Alleinerbin. Es gab keine weiteren Verwandten. Der Großvater war im Krieg gefallen. Geschätztes Vermögen laut Manager-Magazin: dreihundertneunzig Millionen Euro. Die reiche Dame ist im Vorstand diverser deutsch-amerikanischer Vereine. Vor zehn Jahren hat sie ein hohes Tier in der US-Regierung geheiratet. Nach fünf Jahren geschieden. Lebt in New York und den Hamptons. Hübsches Bootshaus.« Arzu sah auf eine Fotokopie, die ein gigantisches Strandhaus am Meer zeigte. »Dann gibt es noch einen Hinweis von den Sympathieträgern aus Wiesbaden.«
    Arzu spielte auf die Kollegen des Bundeskriminalamtes an, deren Hauptsitz sich dort befand. BKA und LKA mochten einander nicht.
    »Frau Kürten scheint wohl für die Bundesregierung in Washington so eine Art Verbindungsfrau zu sein. Der Rest ist nur auf Anfrage in Wiesbaden zu erhalten.«
    Quercher blies Luft aus. »Na, das scheint ja ein hübsches Früchtchen zu sein.«
    Arzu sah ihn spöttisch an. »Hübsches Früchtchen? Wo hast du den Begriff denn ausgegraben? Redest du sie vielleicht gleich mit ›Fräulein‹ an?«
    »Menschen mit Migrationshintergrund ist Sprachkritik verboten. Nicht gewusst?«
    Arzu schlug ihn leicht gegen den Arm. »Warum müssen wir das eigentlich machen? Ich meine, kann die nicht von irgendeiner Streife abgeholt werden?«
    »Du hast doch gerade vorgelesen, wie wichtig die ist. Und weil das so ist, holen sie eben eine Schwangere und einen Abgeschobenen. Es reicht bei uns beiden halt gerade zum Chauffeur.«
    Arzu spürte, dass hinter Querchers Sarkasmus Traurigkeit steckte. Sie fragte nicht nach. Stattdessen las sie weiter vor. »Frau Kürten hat keine Kinder und …«
    »Danke, war mir bekannt. Weiter.«
    Sie sah ihn skeptisch an. »Sie ist stille Teilhaberin an zwei großen Waffenkonzernen, unter anderem an einem hiesigen Panzerkonzern … Das wird ja immer besser … Quercher, Pass auf!«
    Er bremste abrupt. Vor ihm hatte sich ein Lkw gedreht. Der Benz rutschte trotz Vollbremsung bedrohlich nah auf den Hänger zu, blieb aber wenige Meter vor ihm stehen. Quercher setzte zurück, schlitterte, noch ehe sich wieder ein Stau bilden konnte, an dem nun festsitzenden Lkw vorbei und fuhr stadtauswärts, vorbei am Fußballstadion, das alles hatte, nur keine Stimmung.
    Sie hatten sich in eine Schenke am Ausgang der Ankunftshalle gesetzt. Quercher spielte mit dem Gedanken, einen Wein zu bestellen. Er verzichtete jedoch angesichts der Tageszeit und der drohenden Fahne. Der Morgen war ruhig geblieben. Aber sie waren da, das spürte er. Etwas hatte schon bei Pollinger in seinem Nacken gesessen. Er nannte sie Dämonen, sein Arzt nannte es Panikattacken. Beides war schlecht. Er trank ein Radler, das seinen Magen reizte. Dann zerbiss er eine Tablette, die er in seiner Manteltasche gefunden hatte, zu

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