Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
einem Brei im Mund, schluckte ihn herunter und musste würgen.
Arzu sah ihn angewidert an. »Mann, Quercher, das ist eklig. Reiß dich mal zusammen.«
»Einmal Döner mit Tomaten ohne Zwiebeln, bitte.«
»Sehr witzig.« Sie beugte sich zu ihm und stieß ihren Finger unter sein Sternum. Quercher verzog das Gesicht. Der Hund hob den Kopf und knurrte.
»Da ist sie.« Arzu deutete auf eine Erscheinung, nach der sich in diesem Moment so ziemlich alle Männer mit schwarzen Anzügen und schlecht sitzenden Krawatten im Ankunftsbereich den Hals verdrehten. Sie maß mindestens ein Meter fünfundsiebzig. Ihre kräftigen nussbraunen Haare schien sie noch im Flieger aufgedreht zu haben. Unter einem schwarzen Wildledermantel mit Pelzbesatz und oberhalb einer körpernah geschnittenen Lederhose trug sie einen hautengen schwarzen Rollkragenpullover. Und das Darunter konnte nicht der liebe Gott aus Liebe zu den Menschen geschaffen haben, dachte Quercher, sondern eher ein durchgeknallter Chirurg. Quercher hatte die Angewohnheit, den ersten Eindruck, den er bei Menschen gewann, einem Popsong zuzuordnen. Sie war definitiv Love Machine von Supermax und hätte dauerhaft in Slow Motion gehen müssen.
»Sie sind der Fahrer?«
Quercher nickte und Arzu verneinte. »Er sieht nur so aus. Aber man gab ihm vor langer Zeit den Titel Kriminalrat.«
»Und die dürfen bei Ihnen das Auto fahren?«
Es hatte nicht mehr als zehn Minuten gedauert, bis Quercher nur noch wütend vor sich hin schwieg. Auf dem Parkplatz hatte Kürten mit einer lässigen Handbewegung den Hund auf die Rückbank des Wagens verscheucht. Minutenlang hatte sie sich dann über die mürrischen Grenzbeamten, das langsame Gepäckband und das kalte Wetter beschwert. Überall hielten Autos. Die Feiertage nahten. Junge Menschen kamen oder fuhren zu ihren Eltern, um sich dort mit schwerem Essen vollstopfen zu lassen. Quercher hatte, bereits restlos bedient, den Wagen aus der zugeschneiten Parkbucht der Bundespolizei rangiert, während Arzu vom Rücksitz die ihr bekannten Fakten über das Wetter der nächsten Tage zum Besten gab. Hannah Kürten hatte sie nur kurz angesehen und auf Quercher gezeigt, ehe sie sagte: »Autofahren ist nicht seine Stärke, oder, Wetterfee?«
Sie hatten die Autobahn erreicht, die östlich um München führt, als Quercher den Wagen hinter ein Streufahrzeug setzte und im Schleichtempo fuhr.
»Wollen wir hoffen, dass Ihre Ermittlungen schneller vorangehen.« Sie sprach mit einem leichten amerikanischen Akzent.
»Mir liegt Ihre Sicherheit sehr am Herzen. Sicherheit spielt für Amerikaner ja gewöhnlich eine große Rolle.«
Sie lächelte gequält. Das aufflackernde Alarmsignal des Streufahrzeugs verstärkte die unterdrückte Wut in ihrem Gesicht. »Nun, Ihr Fahrstil hilft mir nicht, mich sicher zu fühlen. Jeder pakistanische Taxifahrer in New York fährt besser.«
Arzu war immer noch hin und weg von dieser Erscheinung aus New York. »Bleiben Sie länger, Frau Kürten?«, versuchte die Türkin, das Gespräch ein wenig zu drehen.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich möchte nur sehen, wo mein Großvater starb. Dann werde ich seine sterblichen Überreste sofort in die Staaten bringen lassen.«
Arzu stemmte sich nach vorn zwischen die Sitze, ehe sie weiterfragte. »Ihr Großvater war ein Nazisoldat, nicht wahr?«
Quercher zuckte innerlich zusammen. Es gab Fragen, die in ihrer Deutlichkeit kaum ein Deutscher stellen würde.
Kürten stöhnte. »Wer sind wir, dass wir diese Zeit nach über siebzig Jahren beurteilen wollen? Mein Großvater war im Krieg, ja. Ich weiß nicht, was er dort alles gemacht hat. Er war ein einfacher Soldat. Aber wie wollen Sie das alles als Ausländerin verstehen?«
Quercher schaltete sich ein. »Wir sagen jetzt Migrantin oder, noch genauer, Frau mit Migrationshintergrund.«
Arzu funkelte ihn böse an.
Kürten lachte verächtlich. »Das haben Sie aber brav auswendig gelernt, Herr Kriminalrat.«
Quercher sah auf die Uhr. Morgen um diese Zeit war er diese Gewitterhexe los. Er schwieg.
Sie bogen von der Ostumfahrung Münchens auf die A 8 Richtung Salzburg.
Kürten las Mails auf ihrem iPad. »Ich bin im Hotel Schöne Höfe in Rottach-Egern gebucht. Sie kommen doch von dort. Ist das empfehlenswert, Herr Kriminalrat?«, fragte sie spitz.
Quercher nickte. »Ja, das Hotel beherbergt auch eine Schönheitsfarm.«
»Ihrem Gesicht täte eine nachhaltige Behandlung sicher auch gut. Dann klappt es vielleicht bei den Frauen«, kam es ätzend
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