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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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sage Dir, wir sind vergessen. Laß Dir das als Antwort genügen. Von dem Portikus, unter dem ich schreibe, sehe ich eine ruhige Bai und darin Ursus in einem Boote, ein Netz ins klare Wasser versenkend. Meine Gattin spinnt neben mir rote Wolle, und im Garten singen meine Sklaven im Schatten der Mandelbäume. Oh, welche Ruhe, carissime, welch ein Schwinden aller früheren Furcht und alles Leidens! Aber nicht die Parzen sind es, die, wie Du schriebst, den Faden unseres Lebens so angenehm weiterspinnen, sondern Christus, der uns segnet, unser geliebter Gott und Erlöser. Auch Tränen und Sorgen sind uns nicht unbekannt, da unsere Religion uns lehrt, mit den Weinenden zu weinen; aber diese Tränen bergen einen Dir unbekannten Trost. Denn nach diesem Leben werden wir alle die Teuren wiedersehen, die für die göttliche Wahrheit starben oder noch sterben werden. Petrus und Paulus sind für uns nicht tot, sie wurden nur zur Herrlichkeit geboren. Unsere Seelen sehen sie, und wenn auch unsere Augen weinen, so freuen sich doch unsere Herzen ihrer Seligkeit. O ja, mein teurer Freund, wir sind glücklich, und wir besitzen ein Glück, das nichts zerstören kann, da der Tod, womit bei Dir alles endet, für uns ein Übergang zu vollkommener Seligkeit ist.
    Und so vergehen hier Tage und Monate im Frieden des Herzens. Unsere Diener und Sklaven glauben wie wir an Christus, und weil er Liebe gebietet, darum lieben wir einander. Wenn die Sonne untergeht oder der Mond im Wasser erglänzt, sprechen Lygia und ich oft von vergangenen Tagen, die uns gleich einem Traum erscheinen; denke ich dann daran, wie nahe dies mir so teure Haupt der Marter und dem Tode war, so preist meine Seele den Herrn, der allein sie diesen Händen entreißen, aus der Arena retten und mir für immer zurückgeben konnte. O Petroniuis, Du hast gesehen, welche Kraft, welchen Trost diese Religion im Unglück gibt, wieviel Geduld und Mut im Tode; so komm und sieh auch, welches Glück sie über das tägliche Leben verbreitet. Ein Gott, den die Menschen lieben konnten, war ihnen bisher unbekannt, darum liebten sie sich auch gegenseitig nicht, und dies war die Quelle ihres Unglücks; denn wie Licht von der Sonne, so kommt Glück von der Liebe. Weder Gesetzgeber noch Philosophen lehrten diese Wahrheit, sie war weder in Griechenland noch in Rom bekannt, und sage ich, nicht in Rom, so heißt das, in der ganzen Welt nicht. Die trockene und kalte Lehre der Stoiker, die tugendhafte Leute zu Anhängern zählt, härtet das Herz wie Stahl, bessert es aber nicht, sondern stumpft es nur ab. Doch warum sage ich das Dir, der Du mehr gelernt hast und mehr Geist besitzt als ich? Du hast Paulus von Tarsus gekannt und mehr als einmal lange Gespräche mit ihm geführt, weißt daher am besten, daß alle Lehren der Philosophen und Rhetoren seiner Wahrheit gegenüber eitles, hohles, bedeutungsloses Wortgeklingel sind. Du erinnerst Dich der Frage, die er Dir vorlegte: ‚Wenn der Cäsar ein Christ wäre, würdet ihr euch nicht geborgener, in eurem Besitze sicherer, von Unruhe frei und des morgigen Tages sicher fühlen?‘
    Du sagtest mir, unsere Lehre sei eine Feindin des Lebens; höre meine Antwort darauf: Hätte ich vom Anfang meines Briefes bis jetzt nur die drei Worte wiederholt: ‚Ich bin glücklich!‘, so würde ich mein Glück doch noch nicht ausgedrückt haben. Du wirst mir erwidern, mein Glück bestehe in Lygia. Es ist wahr, mein Freund, weil ich ihre unsterbliche Seele liebe und weil wir uns gegenseitig in Christus lieben; für solche Liebe gibt es keine Trennung, keine Täuschung, keinen Wechsel, kein Altern, keinen Tod. Wenn Jugend und Schönheit vergehen, wenn unsere Körper dahinwelken und der Tod sich naht, so bleibt die Liebe, denn der Geist der Liebe bleibt. Ehe meine Augen dem Lichte sich geöffnet hatten, war ich bereit, selbst mein Haus für Lygia zu verbrennen; aber ich sage Dir, daß ich sie noch nicht liebte, erst Christus lehrte mich zu lieben. In ihm ist die Quelle des Friedens und des Glückes. Nicht ich sage dies. Die Wirklichkeit beweist es. Vergleiche, mein Freund, Deine Üppigkeit und Deine Unruhe dabei, Dein Glück und Dein Ungewisses Morgen, Deine Orgien, vergleiche das mit dem Leben der Christen, und Du wirst die passende Antwort finden. Um aber noch besser vergleichen zu können, komm in unsere von Thymian duftenden Berge, unsere schattigen Olivenhaine, an unsere efeuumrankten Ufer. Ein Friede wartet Deiner hier, wie Du ihn seit langem nicht genossen, und

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