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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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verschwammen – das Zentrum von Verbrechen und zugleich der Macht, der Tollheit und trotzdem der Ordnung, das zum Haupt der Welt gewordene Rom, dessen Gesetz allmächtig, unüberwindlich schien.
    Aber wie ein Herrscher und König auf sein Erbe, so blickte der von Soldaten umringte Petrus auf die Stadt. Und er sprach zu ihr:
    „Du bist erlöst und mein.“
    Keiner der Anwesenden, weder die an der Grube für das Kreuz arbeitenden Soldaten noch die Gläubigen, konnte ahnen, daß hier unter ihnen der Beherrscher dieser stolzen Stadt stehe; daß die Cäsaren hingehen, die Scharen der Barbaren vorbeiziehen, die Zeitalter schwinden würden, jener Greis aber hier ununterbrochen bleiben werde.
    Die Sonne hatte sich noch tiefer gegen Ostia geneigt und erschien groß und rötlich. Der ganze westliche Himmel glühte in unaussprechlicher Schönheit. Die Soldaten näherten sich Petrus, um ihn zu entkleiden.
    Plötzlich richtete er sich auf im Gebete und hob seine Rechte hoch empor. Die Häscher, wie eingeschüchtert von dieser Haltung, standen unbeweglich; die Gläubigen hielten den Atem an in der Meinung, er wolle sprechen. Tiefe Stille trat ein.
    Er aber, auf dieser Höhe stehend, machte mit der ausgestreckten Hand das Zeichen des Kreuzes und segnete in der Stunde seines Todes urbem et orbem, die Stadt und den Erdkreis.
    Am gleichen denkwürdigen Abend führte eine andere Abteilung Prätorianer Paulus von Tarsus auf der Straße von Ostia zum Platze Aquae Silviae. Und auch hinter ihm schritt eine Menge solcher, die er bekehrt hatte. Sah er nähere Bekannte, so hielt er an und sprach mit ihnen; denn die Wachen ließen ihm als römischem Bürger größere Freiheit. Vor dem Tore Trigemina begegnete er Plautilla, der Tochter des Präfekten Flavius Sabinus; beim Anblick ihres tränenbedeckten jugendlichen Gesichtes sprach er:
    „Plautilla, Tochter der ewigen Erlösung, geh in Frieden! Gib mir nur noch deinen Schleier, meine Augen zu verbinden, wenn ich zum Herrn gehe!“
    Er nahm den Schleier und schritt weiter, mit so heiterem Antlitz wie ein Landmann, der nach vollbrachtem Tagewerk heimkehrt. Sein Inneres war, gleich dem des Petrus, ruhig wie der Abendhimmel. Gedankenvoll glitt sein Auge über die sich vor ihm ausdehnende Ebene und die in Licht getauchten Albanerberge. Er gedachte seiner Reisen, seiner Mühseligkeiten, seiner Arbeit, seiner Siege, der Kirchen, die er in allen Landen und über allen Meeren gegründet hatte; er glaubte, daß er seine Ruhe verdient, sein Werk vollendet habe. Es tröstete ihn das Bewußtsein, daß der Same, den er ausgestreut, vom Winde der Bosheit nicht verweht werden könnte. Der Friede senkte sich in seine Seele; verließ er doch die Welt in dem Bewußtsein, daß die von ihm verkündete Wahrheit im Kampfe gegen die Welt siegen werde.
    Der Weg zum Orte der Hinrichtung war weit; es wurde Abend. Die Berge überzogen sich mit Purpur, und allmählich umhüllten Schatten ihren Fuß. Die Herden kehrten heim. Da und dort sah man einzelne Gruppen von Sklaven dahinschreiten, Arbeitsgeräte auf den Schultern. Die vor den Häusern spielenden Kinder blickten neugierig auf die vorüberziehenden Soldaten.
    Der Abend, diese klare, goldgetränkte Luft, atmete nicht nur Liebe und Frieden, sondern auch eine gewisse Harmonie, die sich von der Erde zum Himmel zu erheben schien. Auch Paulus war dafür empfänglich; Wonne füllte sein Herz bei dem Gedanken, daß er der Harmonie der Welt noch eine Melodie eingefügt habe, ohne die die ganze Erdenharmonie nichts wäre als ein tönendes Erz und eine klingende Schelle.
    Er gedachte seiner Lehre von der Liebe – wie er den Menschen gesagt hatte, daß, wenn sie auch all ihre Habe den Armen gäben, alle Sprachen, alle Geheimnisse, alle Wissenschaft kennten, dies alles doch nichts wäre ohne die Liebe, die gütig, geduldig ist, nicht Böses mit Bösem vergilt, nichts Arges denkt, alles glaubt, alles hofft, alles duldet.
    Sein späteres Leben war in Verkündung dieser Wahrheit dahingegangen. Und jetzt sprach er in seinem Geiste:
    „Welche Macht gleicht ihr, welche kann sie besiegen? Könnte ihr der Cäsar mit seinen Legionen, Städten, Meeren, Ländern und Nationen Halt gebieten?“
    Er ging seiner Belohnung entgegen wie ein Sieger.
    Die Soldaten verließen jetzt die Landstraße und wandten sich auf einem engen Pfade östlich zu den Aquae Siiviae. Die rötliche Sonne war bis zum Gesträuch herabgesunken. Bei dem Brunnen ließ der Zenturio die Soldaten halten. Der ernste

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