Quo Vadis
sich bewaffnen und, was noch besser sein würde, ein paar starke, zuverlässige Männer mit sich nehmen, um im Falle der Not nicht schutzlos zu sein.
Vinicius gab ihm in allem recht. Er dachte an Petronius’ Rat und ließ Kroton zu sich rufen. Chilon, der jedermann in Rom kannte, war ziemlich beruhigt, als er den Namen des berühmten Athleten hörte, dessen übermenschliche Kraft er mehr denn einmal in der Arena bewundert hatte, und erklärte sich bereit, ins Ostrianum mitzugehen. Mit Krotons Hilfe schien ihm der Beutel Gold bedeutend leichter zu verdienen.
Zufrieden setzte Chilon sich zu dem Mahle, das ihm bald darauf der Aufseher des Atriums vorsetzte.
Während des Essens erzählte er den Sklaven, er habe für Vinicius eine wunderwirkende Salbe zubereitet. Der schlechteste Gaul brauchte bloß an den Hufen damit bestrichen zu werden, um jedes andere Pferd weit hinter sich zu lassen. Ein Christ habe ihn die Zubereitung gelehrt, wie denn die Christen überhaupt in Zauberei und Wundern viel geschickter seien als selbst die Thessalier, obschon in Thessalien die Hexen berühmt seien. Die Christen hätten unbegrenztes Vertrauen zu ihm – warum, das wisse jeder, der die Bedeutung eines Fisches kenne. Dabei blickte er scharf auf die Mienen der Sklaven, um vielleicht darunter einen Christen zu entdecken und Vinicius darüber zu benachrichtigen. Da er sich in dieser Erwartung getäuscht sah, begann er eine ungewöhnliche Menge von Speise und Trank zu vertilgen, wobei er mit Lobsprüchen für den Koch keineswegs zurückhielt und erklärte, ihn Vinicius abkaufen zu wollen. Seine Freude wurde bloß durch den Gedanken getrübt, in der Nacht nach dem Ostrianura gehen zu müssen. Er tröstete sich jedoch damit, daß er verkleidet gehen könne, in der Dunkelheit und in Gesellschaft zweier Männer, deren einer seiner Stärke wegen zum Idole Roms geworden war, während der andere als Patrizier hohes Ansehen genoß.
„Selbst wenn man Vinicius erkennen sollte“, sprach er zu sich selber, „wird doch keiner wagen, Hand an ihn zu legen. Was mich betrifft, so müßte es merkwürdig zugehen, wenn auch nur einer meine Nasenspitze zu sehen bekommt.“
Er rief sich darauf die Unterredung mit Urban ins Gedächtnis zurück und empfand abermals tiefe Befriedigung. Er hatte nicht den geringsten Zweifel, daß jener Arbeiter kein anderer sei als Ursus. Er kannte dessen ungewöhnliche Körperkraft aus den Mitteilungen des Vinicius und der Sklaven, die Lygia aus dem kaiserlichen Palaste abgeholt hatten. Daß Euricius ihn auf die Frage nach einem außerordentlich starken Mann an Ursus verwiesen hatte, war nichts Befremdendes. Dann jedoch hatten ihm die Bestürzung und die Wut des Riesen bei der Erwähnung Lygias und ihres Verfolgers deutlich gesagt, daß diese Personen ihm nicht gleichgültig waren. Urban hatte auch von der Buße gesprochen, die er sich um eines getöteten Mannes willen auferlege – Ursus hatte ja Atacinus getötet; endlich auch entsprach die Erscheinung des Arbeiters genau der Beschreibung, die Vinicius ihm von dem Lygier gegeben. Das einzige, was Zweifel erwecken konnte, war die Änderung des Namens; allein Chilon wußte, daß die Christen häufig bei der Taufe andere Namen erhielten.
„Wenn Ursus den Mord begeht“, dachte Chilon bei sich, „so ist dies das beste; sollte er Glaukos nicht töten, so ist das immerhin auch kein schlechtes Zeichen, weil es beweist, wie schwer die Christen ein Mord ankommt. Ich stellte Glaukos als einen wirklichen Sohn des Judas, als einen Verräter an den Christen insgesamt dar; ich war so beredt, daß ein Stein sich empört und mir versprochen hätte, auf Glaukos’ Haupt niederzustürzen. Dennoch konnte ich diesen lygischen Bär kaum dazu bringen, seine Pranke auf ihn zu legen. Er war nicht gewillt, war lange unentschlossen; er sprach von Zerknirschung und Buße. Augenscheinlich ist Mord bei ihnen nichts Alltägliches. Selbst erlittenes Unrecht soll man verzeihen, und die Freiheit, andere zu rächen, ist sehr beschränkt. Ergo, halt ein in deiner Furcht, Chilon! Was kann dir drohen? Glaukos darf sich an dir nicht rächen. Wenn Ursus ihn nicht tötet, trotz seines Verrates an allen Christen, um wieviel weniger tötet Glaukos dich, der du bloß einen Christen verraten hast! Zudem will ich, wenn es mir einmal gelungen ist, diesem Tauber das Nest seiner Turteltaube zu zeigen, meine Hände in Unschuld waschen und nach Neapel übersiedeln. Auch die Christen reden von einer gewissen
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