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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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das?“ fragte Vinicius, indem er vom Stuhle aufsprang.
    Chilon erhob sein Haupt und sagte: „Heureka!“
    Der junge Patrizier war so erregt, daß er lange Zeit kein Wort hervorbrachte.
    „Hast du sie gesehen?“ fragte er endlich.
    „Ich habe Ursus gesehen, Herr, und mit ihm gesprochen.“
    „Weißt du, wo sie sich verborgen halten?“
    „Nein, Herr. Ein anderer als ich würde aus Prahlerei dem Lygier verraten haben, daß er ihn erkannt hätte. Ein anderer hätte versucht, ihm das Geheimnis seines Aufenthaltsortes zu entreißen, und würde dabei entweder einen Faustschlag erhalten haben, auf den hin alle irdischen Angelegenheiten ihn kalt gelassen hätten, oder er würde den Verdacht des Riesen erregt haben, und das Ende wäre gewesen, daß vielleicht diese Nacht noch dem Mädchen ein anderes Versteck angewiesen würde. Ich habe anders gehandelt. Mir genügte zu wissen, daß Ursus in der Nähe des Emporiums arbeitet im Dienste eines Müllers namens Demas – ein Name gleich dem deines Freigelassenen. Nun magst du irgendeinen zuverlässigen Sklaven auf seine Spur hetzen und so ihr Versteck ausspionieren lassen. Ich bringe dir nur die Gewißheit, daß, da Ursus hier ist, auch die göttliche Lygia sich in Rom befindet und daß sie fast unfehlbar heute nacht im Ostrianum sein wird.“
    „Im Ostrianum? Wo ist das?“ unterbrach ihn Vinicius, der offenbar gleich dorthin eilen wollte.
    „Dort liegt das alte Hypogäum, ein unterirdisches Gewölbe zwischen der Via Salaria und der Via Nomentana. Jener Pontifex Maximus der Christen, von dem ich dir sprach und den sie etwas später erwartet hatten, ist schon gekommen und wird heute nacht in jenem Gewölbe predigen und taufen. Sie verstecken sich mit ihrer Religion, weil das Volk, obwohl noch keine Edikte gegen sie erlassen sind, sie haßt, so daß sie auf der Hut sein müssen. Ursus selber verriet mir, daß alle heute im Ostrianum zusammenkommen würden; denn ein jeder wünscht den zu sehen und zu hören, der der vornehmste Jünger Christi gewesen ist und den sie Apostel nennen. Da bei ihnen die Frauen ebenso unterrichtet werden wie die Männer, so wird vielleicht Pomponia die einzige Frau sein, die nicht erscheint. Aulus verehrt noch die alten Götter, und sie könnte vor ihm ihre nächtliche Abwesenheit kaum verantworten. Lygia dagegen, die unter der Obhut des Ursus und der Ältesten steht, wird sicherlich mit den übrigen Frauen hingehen.“
    Vinicius, der bis jetzt wie im Fieber gelebt und sich nur durch die Hoffnung aufrechterhalten hatte, fühlte plötzlich, da er am Ziel zu sein schien, die ganze Schwäche, die ein Mann fühlen mag nach einer Reise, der seine Kräfte nicht gewachsen waren. Chilon bemerkte dies und beschloß, Vorteil daraus zu ziehen.
    „Allerdings werden die Stadttore von deinen Leuten bewacht, was den Christen bekannt sein muß, aber brauchen sie denn Tore? Auch der Tiber braucht keine, und obwohl der Versammlungsort weit vom Flusse abgelegen ist, so lohnt sich’s doch der Mühe, einen Umweg zurückzulegen, um den ‚großen Apostel‘ zu sehen. Überdies kennen sie, wie ich weiß, tausend andere Möglichkeiten, aus dem Bereich der Mauern zu kommen. Im Ostrianum wirst du Lygia finden, und wäre sie auch selbst nicht dort, woran ich jedoch nicht zweifle, so wird sich doch Ursus einfinden, denn er hat mir versprochen, Glaukos zu töten. Hörst du, edler Tribun, entweder folgst du Ursus, um so Lygias Wohnung zu entdecken, oder du läßt ihn als Mörder ergreifen und zwingst ihn, das Versteck zu verraten. Ich habe mein Bestes getan. Ein anderer als ich würde dir gesagt haben, er habe zehn Kannen vom besten Wein mit Ursus leeren müssen, bevor er ihm das Geheimnis entreißen konnte. Ein anderer als ich hätte vorgegeben, er habe tausend Sesterze im Spiel an Ursus verloren oder er habe das Geheimnis für zweitausend Sesterze kaufen müssen. Ich weiß, du würdest mich doppelt bezahlen, und trotzdem will ich einmal im Leben – ich wollte sagen, wie immer in meinem Leben – ehrlich sein, denn ich bin überzeugt, daß deine Güte, wie der hochedle Petronius sagt, all meine Hoffnungen und Erwartungen übertreffen wird.“
    Vinicius, der als Krieger gewohnt war, nicht lange zu überlegen, sondern zu handeln, sagte:
    „Deine Hoffnung auf meine Freigebigkeit soll nicht enttäuscht werden. Zuvor jedoch begleitest du mich ins Ostrianum.“
    „Ich, ins Ostrianum?“ fragte Chilon, der nicht die geringste Neigung verspürte, dorthin zu gehen. „Edler

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