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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Lippen dieses Gefährten des geheimnisvollen „Christus“ fließen würde, was der Inhalt jener Lehre sei, zu der sich Lygia und Pomponia bekannten.
    Petrus begann, und er sprach wie ein Vater, der seine Kinder unterrichtet und sie lehrt, wie sie leben sollen. Er legte ihnen ans Herz, der Ausschweifung und Wollust zu entsagen, Armut, Reinheit und Wahrheit zu lieben, Unrecht und Verfolgung geduldig zu ertragen, der Regierung und den Vorgesetzten zu gehorchen, sich vor Verräterei, Betrug und Verleumdung zu hüten, endlich einander und auch den Heiden ein gutes Beispiel zu geben.
    Vinicius, für den das Gute nur in dem bestand, was ihm Lygia wieder zuführen konnte, das Böse in dem, was eine Schranke zwischen ihm und ihr aufrichtete, war von einigen dieser Ratschläge gerührt und geärgert zugleich. Es schien ihm, daß der Greis, indem er seinen Hörern Reinheit und den Kampf gegen die Begierden einschärfte, es wage, nicht nur seine Liebe zu verdammen, sondern auch Lygia gegen ihn einzunehmen und in ihrem Widerstand zu bestärken. Er verstand, daß sie, wenn sie in der Versammlung diese Worte hörte und sich zu Herzen nahm, ihn als Feind ihrer Lehre und als einen Verworfenen betrachten müsse.
    Der Zorn bemächtigte sich seiner bei diesen Gedanken.
    „Was habe ich da eigentlich Neues gehört?“ sagte er sich. „Ist das die neue Religion? Jedermann weiß das, jeder hat es gehört. Die Zyniker schärfen die Armut ein und Beschränkung der Bedürfnisse; Sokrates lehrt die Tugend als etwas Altes und Gutes. Der erste Stoiker und sogar ein Philosoph wie Seneca, der hundert Tische aus Zitronenholz besitzt, preisen die Mäßigkeit, ermahnen zur Wahrheit, zur Geduld in Widerwärtigkeiten, zu ruhigem Ertragen des Unglücks – und all das ist wie muffiges, von Mäusen angefressenes Korn; die Leute wollen es nicht essen, weil sie sein Alter riechen.“
    Aber auch ein Gefühl der Enttäuschung überkam ihn. Hatte er doch die Entdeckung ungekannter magischer Geheimnisse oder wenigstens einen glänzenden Rhetor zu hören erwartet. Statt dessen vernahm er die einfachsten, schmucklosesten Worte. Er war nur über die stumme Aufmerksamkeit erstaunt, mit der die Menge lauschte.
    Der Greis sprach weiter zu den in aufmerksamer Sammlung ihn Umstehenden, mahnte sie, wohlwollend, arm, friedliebend, gerecht und rein zu sein, nicht aber nur wegen eines friedlichen Lebens auf Erden, sondern um nach dem Tode ewig mit Christus zu wohnen, in Freude und Ehre, Kraft und Wonne, wie sie nie auf Erden erreicht worden seien. Obwohl jetzt voreingenommen gegen das Gehörte, gestand sich Vinicius doch, daß ein Unterschied bestehe zwischen der Lehre des Greises und jener der Zyniker, Stoiker und anderer Philosophen; denn diese empfahlen die Tugend als das Vernünftige, einzig Praktische im Leben, während der Greis Unsterblichkeit versprach, und zwar nicht eine freudlose unter der Erde in Trauer, Leere und Mangel, sondern eine herrliche, fast göttergleiche. Er sprach davon als von etwas vollkommen Sicherem. Für einen solchen Glauben mußte die Tugend notwendig von unschätzbarem Werte sein und das Mißgeschick im Leben unvergleichlich gering erscheinen. Um eines unermeßlichen, in Aussicht stehenden Glückes willen leiden ist sicher etwas anderes als leiden, nur weil die Ordnung der Natur es fordert.
    Und der Greis erklärte ferner, daß Wahrheit und Tugend um ihrer selbst willen zu lieben seien; denn das höchste, ewige Gut und die vor allen Zeiten bestehende Tugend sei Gott. Wer die Wahrheit demnach auf diese Weise liebe, liebe Gott und würde dadurch sein geliebtes Kind.
    Vinicius verstand das nicht recht. Aber aus dem, was Pomponia Graecina früher zu Petronius gesprochen hatte, wußte er, daß Gott einzig und allmächtig sei; als er daher jetzt aufs neue hörte, Gott sei die Güte und Gerechtigkeit, mußte er sich unwillkürlich sagen, einem solchen göttlichen Wesen gegenüber erschienen Jupiter, Saturn, Apollon, Juno, Vesta und Venus als nichtiges, lärmendes, eifersüchtig streitendes Gesindel.
    Sein Erstaunen erreichte jedoch den Höhepunkt, als der Greis lehrte, daß Gott auch die Liebe sei und daher der, der seinen Nächsten liebe, Gottes Hauptgebot erfülle. Es sei nicht genug, diese Liebe nur Angehörigen der eigenen Nation zu schenken, der Gottmensch habe ja sein Blut für alle vergossen und auch unter den Heiden Auserwählte gefunden wie den Zenturio Cornelius. Es sei nicht genug, nur die zu lieben, die uns Gutes tun; Christus habe

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