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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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sah, wie Purpur ihre Wangen rötete und ihre Augen feucht schimmerten. Es war eine wunderbar schöne Gruppe von Liebesglück. Petronius griff mach einer Vase, die neben ihm stand, entnahm daraus eine Handvoll Veilchen und streute sie über Haupt, Brust und Gewand Eunikes; dann entfernte er die Tunika von ihren Armen und sagte:
    „Glücklich, wer Liebe in solchen Formen eingeschlossen gefunden hat. Bisweilen dünkt mich, wir seien zwei Gottheiten. Sieh her! Hat Praxiteles oder Miron, hat Skopas oder Lysias schönere Linien geschaffen? Gibt es im Pentelikon oder auf Paros Marmor gleich diesem – warm, rosig, voll Liebe? Es gibt Menschen, die den Rand von Vasen wegküssen; ich aber ziehe vor, dort Genuß zu suchen, wo er wirklich zu finden ist.“
    Er fuhr mit den Lippen über ihre Schultern, den Hals entlang. Sie bebte vor Wonne, ihre Augen waren bald geschlossen, bald geöffnet und sprachen von unsäglichem Entzücken.
    Nach einer Weile hob Petronius ihr Haupt empor und sagte, zu Vinicius gewendet:
    „Was sind nun deine trübseligen Christen im Vergleich mit dieser Wonne? Wenn du den Unterschied nicht einsiehst, so geh zu ihnen. Doch dieser Anblick hier müßte dich heilen.“
    Vinicius’ Nasenflügel bebten, er sog den Veilchenduft ein, der den Raum erfüllte. Wenn er jetzt in dieser Weise Lygias Schultern hätte küssen dürfen, so wäre das eine so ungeheure Wonne für ihn gewesen, daß nachher die Welt ruhig hätte zusammenstürzen mögen. Da er schon daran gewöhnt war, auf alles zu achten, was in ihm vorging, ertappte er sich wieder beim Gedanken an Lygia und immer an Lygia.
    „Eunike“, sagte Petronius, „laß Kränze für unsere Häupter flechten und ein Mahl herrichten.“
    Als sie fort war, wandte er sich an Vinicius.
    „Ich wollte sie freigeben, und weißt du, was sie mir sagte? Ich will lieber deine Sklavin sein als Neros Weib! Und sie willigte nicht ein. Ich gab sie dann ohne ihr Wissen frei. Der Prätor kam mir dadurch entgegen, daß er von ihrer Gegenwart bei der Freisprechung absah. Sie weiß nicht, daß sie frei ist, ebensowenig, daß mein Haus und meine Kostbarkeiten, nur die Edelsteine ausgenommen, ihr zufallen, wenn ich sterben sollte.“
    Er stand auf und durchlief den Raum.
    „Liebe wandelt den einen mehr, den anderen weniger um, aber umgewandelt hat sie sogar mich. Früher liebte ich Verbenengeruch; da Eunike Veilchen vorzieht, sind Veilchen nun meine liebsten Blumen. Seitdem es Frühling geworden ist, atmen wir beständig unter Veilchen.“
    Er blieb vor Vinicius stehen und fragte:
    „Doch du – hältst du’s immer noch mit den Narden?“
    „Laß mich in Frieden!“ entgegnete Vinicius.
    „Ich zeigte dir Eunike, weil vielleicht auch du in der Ferne suchst, was nahe liegt. Vielleicht schlägt auch für dich in den Kammern deiner Sklavinnen ein treues, schlichtes Herz. Lege gleichen Balsam auf deine Wunden. Lygia liebt dich, sagst du? Möglich. Doch was für eine Liebe ist das, die entsagt? Heißt das nicht, daß eine andere Macht, stärker als die Liebe, in ihr lebt? Nein, carissime! Lygia ist nicht Eunike.“
    „Alles vereinigt sich zu meiner Qual“, erwiderte Vinicius. „Ich sah dich Eunikes Schultern küssen und dachte, wenn Lygia ihre vor mir entblößen wollte, würde ich nichts danach fragen, wenn im nächsten Augenblick die Erde uns verschlänge. Doch beim bloßen Gedanken ergriff mich beklemmende Angst, als hätte ich eine Vestalin überwältigt oder eine Göttin geschändet. Lygia ist nicht Eunike; aber ich fasse den Unterschied anders auf als du. Die Liebe hat auf deinen Geruchsinn eingewirkt, so daß du Veilchen nun lieber hast als Verbenen; mir aber hat sie die Seele umgewandelt, so daß ich trotz meines Verlangens und trotz meiner Qual Lygia lieber so wissen will, wie sie ist, als daß sie wie andere wäre.“
    „In diesem Falle geschieht dir kein Unrecht. Aber verstehen kann ich dich nicht.“
    „Freilich, freilich!“ entgegnete Vinicius in fieberhafter Erregung. „Wir beide verstehen einander nicht mehr.“
    Ein Augenblick des Schweigens folgte.
    „Der Hades verschlinge deine Christen!“ rief Petronius endlich aus. „Sie haben dir deine vernünftige Lebensanschauung genommen und dich mit Trübsal gefüllt. Der Hades verschlinge sie! Du irrst, wenn du ihre Religion gut nennst; gut ist, was glücklich macht, also: Schönheit, Liebe, Macht, Dinge, die jene eitel nennen. Du irrst, wenn du sie für gerecht hältst; denn wenn wir Böses mit Gutem vergelten, wie

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