Quo Vadis
welke Blätter. Ich sage dir: Die Christen sind ohne Bedeutung. Du fühlst es selber; wenn deine Natur sich gegen ihre Lehre sträubt, so geschieht das eben, weil du ihre Bedeutungslosigkeit fühlst. Du bist aus anderem Holze geschnitzt; laß darum dich und mich damit in Ruhe. Wir wissen zu leben und zu sterben; was sie mehr können, ist mir unbekannt.“
Diese Worte verfehlten nicht, auf Vinicius Eindruck zu machen. Auf dem Heimwege dachte er, die Güte und Nächstenliebe der Christen möchte vielleicht gerade ein Beweis ihrer geistigen Unfähigkeit sein. Es schien ihm, Leute von Geist und Temperament könnten nicht so leicht verzeihen. Darin glaubte er den Grund der Abneigung seiner Römernatur gegen ihre Lehre zu entdecken.
„Wir wissen zu leben und zu sterben“, hatte Petronius gesagt. „Jene aber wissen nur zu verzeihen und kennen weder echte Liebe noch echten Haß.“
XXX
Kaum war der Cäsar wieder nach Rom gekommen, so reute ihn schon seine Rückkehr, und nach einigen Tagen erfaßte ihn von neuem der Wunsch, Achaia zu besuchen. Er erließ sogar schon ein Edikt, das erklärte, seine Abwesenheit würde nicht lange dauern, und die öffentlichen Angelegenheiten sollten keinen Schaden leiden. In Gesellschaft seiner Anhänger, worunter auch Vinicius sich befand, begab er sich zum Kapitol, um durch Opfer von den Göttern eine glückliche Reise zu erbitten. Aber am zweiten Tag, als er den Tempel der Vesta besuchte, fand ein Ereignis statt, das all seine Pläne umwarf. Nero fürchtete die Götter, obwohl er nicht an sie glaubte; er fürchtete besonders die geheimnisvolle Vesta. Der Anblick der Götter und des heiligen Feuers erfüllten ihn mit solcher Furcht, daß seine Haare sich sträubten, seine Zähne klapperten, ein Schauer seine Glieder durchrieselte und er in die Arme des hinter ihm stehenden Vinicius sank. Er wurde aus dem Tempel getragen und nach dem Palast gebracht, wo er sich zwar bald erholte, aber doch für einige Tage das Bett nicht verlassen konnte. Nun erklärte er zum größten Erstaunen aller, seine Abreise verschieben zu wollen, da die Göttin ihn vor Eile gewarnt habe. Eine Stunde später durchlief ganz Rom die Nachricht, daß der Cäsar, gerührt von väterlicher Liebe für sie, seine Kinder, beschlossen habe, in Rom zu bleiben, um ihre Leiden und ihre Freuden zu teilen. Das Volk freute sich über diesen Beschluß und noch mehr darüber, daß ihm nun die Spiele und die Verteilung von Weizen nicht entgehen würden. Es versammelte sich in Massen vor den Toren des Palastes und erhob ein Freudengeschrei zu Ehren des göttlichen Cäsars. Dieser unterbrach das Würfelspiel, bei dem er eben mit seinen Anhängern sich unterhielt, und sprach:
„Ja, es war notwendig, die Reise zu verschieben. Ägypten und die vorherverkündete Herrschaft über den Orient können mir nicht entgehen, auch Achaia wird mir nicht verloren sein. Ich werde den Isthmos von Korinth durchstechen lassen und in Ägypten Denkmale errichten, wogegen die Pyramiden nur kindische Spielzeuge sein sollen. Ich werde eine Sphinx erbauen lassen, siebenmal größer als die bei Memphis in die Wüste starrende; und sie soll mein Angesicht tragen. Kommende Jahrhunderte werden nur von jenem Denkmal und nur von mir sprechen.“
„Mit deinen Versen hast du dir ein Denkmal errichtet, nicht siebenmal, sondern dreimal siebenmal größer als die Pyramide des Cheops“, sagte Petronius.
„Aber mit meinem Gesang?“ forschte Nero.
„Ach, wenn nur Menschen eine Statue erbauen könnten gleich jener des Memnon, die bei Sonnenaufgang mit deiner herrlichen Stimme rufen würde! Alle kommenden Jahrhunderte hindurch wären die an Ägypten grenzenden Meere von Schiffen bedeckt, und die Völker aller drei Erdteile würden, alles andere vergessend, deinem Gesange lauschen.“
„Ach, wer das könnte!“ sagte Nero.
„Aber du kannst Befehl geben, dich auf der Quadriga in Basalt auszuhauen.“
„Es ist wahr; ich werde es tun!“
„Du wirst der Menschheit ein Geschenk machen!“
„In Ägypten werde ich mich mit der Luna vermählen, die jetzt Witwe ist, und werde ein wahrer Gott sein.“
„Und uns wirst du die Sterne zu Frauen geben“, sagte Petronius; „wir bilden dann ein neues Sternbild, das deinen Namen tragen soll. Vitellius vermähle sich dem Nil, damit er Nilpferde erzeuge. Die Wüste gib dem Tigellinus; er wird König der Schakale sein.“
„Und was bestimmst du mir?“ fragte Vatinius.
„Apis segne dich! Du veranstaltetest so
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