Quo Vadis
nicht mehr entfernen, seitdem er gehört hatte, daß dies ein Zittern der Finger und dadurch eine Schädigung seines Lautenspiels verursachen könnte. Auf seinem Gesichte, dessen Ausdruck ebenso furchterregend wie unbedeutend war, lagen, wie immer, maßlose Eitelkeit, Überdruß und Langeweile. Während der Zug sich bewegte, wendete er den Kopf hierhin und dorthin und achtete genau auf die Art, wie ihn die Menge begrüßte. Ein wahrer Sturm des Jubels und Beifalls bewillkommnete ihn: „Heil dir, göttlicher Cäsar! Imperator! Heil dir, Eroberer! Heil, Unvergleichlicher! Sohn des Apollon, Apollon in Person!“
Diese Worte entlockten ihm ein Lächeln; aber dazwischen glitt wieder eine Wolke über seine Züge, denn das einfache Volk in Rom war spottlustig und erlaubte sich, selbst große Triumphatoren zu tadeln, Männer, die es doch im allgemeinen liebte und achtete. Es war ein offenes Geheimnis, daß, als Julius Cäsar seinen Einzug in Rom hielt, gerufen worden war: „Bürger, versteckt eure Weiber, der alte Wüstling kommt!“ Aber Neros ungeheure Eitelkeit konnte nicht den leisesten Tadel, nicht die geringste Kritik ertragen. Jetzt mischten sich unter das Jubelgeschrei auch die Ausrufe:
„Feuerbart! Feuerbart! Wohin hast du deinen flammenden Bart gebracht! Fürchtest du, daß Rom daran Feuer fangen könnte?“
Und die das riefen, ahnten nicht, daß ihr Scherz eine grausige Prophezeiung enthielt.
Diese Stimmen erregten Nero nicht allzuviel; er trug keinen Bart, weil er ihn in einem goldenen Zylinder dem Jupiter Capitolinus geweiht hatte. Manche jedoch hatten sich hinter Steinhaufen und den Ecken der Tempel verborgen und riefen:
„Muttermörder! Nero! Orestes! Alkmäon!“ und noch andere: „Wo ist Octavia! Gib den Purpur ab!“
Poppäa, die unmittelbar nach ihm kam, trafen die Rufe:
„Flava coma – Gelbhaar“, ein Ausdruck, womit man Straßendirnen bezeichnete.
Neros scharfes Ohr fing diese Worte auf, und er führte seinen polierten Smaragd an die Augen, als wolle er jene sehen und im Gedächtnis behalten, die sie gerufen. Da fiel sein Blick auf den Apostel Petrus, der auf dem Steine stand. Eine kleine Weile blickten diese Männer einander an. Keiner aber in dem ganzen glänzenden Gefolge, keiner in dieser ungeheuren Menschenmenge hatte auch nur die leiseste Ahnung, daß in diesem Augenblick sich zwei Weltmächte begegneten, deren eine rasch wie ein blutiger Traum dahinschwinden, während die andere, in einfachem Gewande, die Welt und Rom als dauernden Besitz ergreifen würde.
Der Cäsar war vorbeigezogen; hinter ihm trugen acht Afrikaner eine prächtige Sänfte, in der die vom Volke verachtete Poppäa saß. Wie Nero in amethystfarbene Stoffe gekleidet, mit einer starken Lage Schminke auf dem Gesicht, unbeweglich, gedankenvoll, gleichgültig, glich sie einer schönen, aber schlimmen Gottheit, die in einer Prozession dahergetragen wurde. Ihrer Garde folgte ein ganzer Hof von Dienern und Dienerinnen und zuletzt eine Wagenreihe mit Kleidern und Gebrauchsgegenständen.
Die Sonne war schon weit hinabgesunken, als erst noch der Zug der Augustianer begann – eine prächtig schimmernde Kette gleich einer endlosen Schlange. Der skeptische Petronius, freundlich begrüßt von der Menge, wurde mit seiner götterähnlichen Sklavin in einer Sänfte getragen. Tigellinus fuhr in einem Wagen, den mit weißen und purpurnen Federn geschmückte Ponys zogen. Wiederholt erhob er sich und streckte den Hals, um zu sehen, ob der Cäsar ihn nicht in seinem Wagen Platz nehmen heiße. Licinianus Piso wurde von der Menge mit Beifall, Vitellius mit Gelächter begrüßt. Gegen die Konsuln Licinus und Lecanius verhielt sie sich gleichgültig; dem Tullius Senecio bezeigte sie aus unbekanntem Grunde ihre Anhänglichkeit und Vestinus Anerkennung.
Das Gefolge war unzählbar. Es schien, als wanderten die reichsten, glänzendsten, vornehmsten Familien Roms nach Antium. Nero reiste nie anders als mit Tausenden von Fuhrwerken; die ihn stets begleitende Gesellschaft überstieg nahezu die Zahl einer römischen Legion. Man sah Domitius Afer, den abgelebten Lucius Saturninus, Vespasian, der noch nicht auf seinem Kriegszuge nach Judäa war, von wo ihn die Cäsarenkrone zurückrufen sollte, und seine Söhne, den jungen Nerva, Lucanus, Annius, Gallo, Quintinianus, dazu eine Menge durch Reichtum, Schönheit, Ausschweifung und Laster bekannter Frauen.
Die Augen der Menge hafteten auf den Rüstungen, Wagen, Pferden, den fremdartigen Livreen der
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